-Die Chinesen haben das Armschild erfunden
-Das Problem der bisherigen Polizeiausrüstung
-Mögliche Verwendung in Westeuropa
-Schilder bei Ausschreitungen
-Mein ballistisches Armschild
-Einsatztaktik mit Armschild und Pistole oder Schlagstock
-Lehrvideos gibt es bisher noch nicht viele
-Messerabwehr in China
Ich will das Folgenden auf keinen Fall politisch thematisieren, sondern will Euch nur kurz erklären woher die hier gezeigten Schilder kommen und wie es zu deren Entwicklung kam. Auf meinem Blog geht es nicht um Politik, sondern um Sicherheit!
In China gibt es die Region XinJiang. China hat mit den dort lebenden Uiguren einen heftigen Konflikt und setzt hierbei alle technischen und nachrichtendienstlichen Mittel ein. Durch Uiguren wiederum werden dort immer wieder heftige Terroranschläge verübt, wobei oft Messer eingesetzt werden. Man muss hierbei rein sachlich also festhalten, dass die chinesische Polizei viel Erfahrung mit Messerangriffen hat. Das bezieht sich aber nicht nur auf diese Terroranschläge, sondern auch auf "Amokläufe" und die normale Kriminalität unter der Verwendung von Messern in ganz China. Denn durch das sehr strenge Waffenrecht in China werden dort noch mehr Messer bei Straftaten verwendet als bei uns.
Achtung, die hier verlinkten Videos sind hoch politisch und sie zeigen nur eine Seite des Konfliktes. CCTV ist ein staatlicher chinesischer Sender. Man muss diese Videos sehr distanziert betrachten, dann kann man etwas über Terrorismus lernen und zum anderen kann man sehen wie sehr gut gemachte Propaganda aussieht:
Terrorism in Xinjiang: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4
Fighting Terrorism in Xinjiang: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4
Wir sollten jetzt die Gelegenheit nutzen um etwas von denen zu lernen die noch mehr Probleme mit Messerangriffen haben als wir. Seit einigen Monaten kann man bei Aufnahmen aus Xinjiang immer wieder Polizisten mit Armschildern sehen. Und da die Chinesen nun diese neue Art von Schutzausstattung entwickelt haben kann es sich für uns lohnen diese genau anzuschauen und deren Optionen auszuloten. Denn irgendwie vermute ich, dass auch uns hierzulande die Messerangriffe in Zukunft noch mehr beschäftigen werden als sie es bisher schon tun.
Foto links: Registrierungsformular für den Kauf eines Küchenmessers in Xinjiang mit biometrischem Foto des Käufers. Der QR Code wird auf das Messer drauf gelasert.
Quelle: https://www.rfa.org/english/news/uyghur/authorities-require-uyghurs-in-xinjiangs-aksu-to-get-barcodes-on-their-knives-10112017143950.html
In China werden die Armschilder auch von einigen Herstellern mit Kontaktstreifen für Elektroschocks hergestellt. Diese Schilder sind in Deutschland verboten. Quelle: https://sangmin.manufacturer.globalsources.com/si/6008800007620/pdtl/Riot-shield/1153910254/Heavy-Duty-Arm-Electric-Shield.htm
Es gab bisher eigentlich nur zwei Arten polizeilicher Schutzschilder:
1. große Schilder aus Plexiglas gegen geworfene Gegenstände und zur Kontrolle von Häftlingen.
2. große ballistische Schilder die für das Eindringen in Räume bei einer hohen Gefährdungslage verwendet werden.
Ein großes Schutzschild schränkt aber stark ein, aus diesem Grund werden sie von den Bereitschaftspolizeien bei gewalttätigen Ausschreitungen fast überhaupt nicht mehr verwendet. Der große Vorteil, zu allen anderen Polizeischildern ist, dass man mit dem Armschild viel flexibeler ist, schneller blocken und zuschlagen kann.
Was ist der Sinn des neu entwickelten Armschildes:
Der eigentlich Zweck ist mehr der einer Körperschutzausstattung gegen Messerangriffe. Wirklich Sinn macht das natürlich nur dort, wo es zu sehr vielen derartigen Angriffen kommt. Also eben in Xinjiang oder vielleicht auch in Isreael. Vielleicht würden sie auch Sinn in besonders gefährlichen Haftanstalten machen. Aber vor allem im Objektschutz oder im Fußstreifendienst soll uniformierten Sicherheitskräften mit einem Armschild eine bessere Möglichkeit gegeben werden plötzliche Messerangriffe abzuwehren.
(Die Polizei in Hessen hat übrigens für genau diesen Zweck Schnittschutz Schals beschafft. Die Aktzeptanz davon ist bei den Einsatzkräften eher gering und daher bringen sie auch nicht viel.)
Aluminium Armschild:
Bei der chinesischen Polizei konnte ich bisher nur die Armschilder aus Alu sehen. Diese kann man auch über Ebay bekommen, oder sie in China bestellen. Bei der Verwendung als Körperschutz gegen Messerangriffe reichen Aluminiumschilder völlig aus. Sie haben die selben Maße und wiegen etwa 2 kg. Ein Hersteller gibt an, dass sein 71x29cm Schild Belastungen von bis zu 141 Joule stand hält. Sie halten damit z.B. Steinschleudern auf und vielleicht sogar KK Geschosse. (Er werden auch Armschilder aus Polycarbonat (Plexiglas) angeboten mit etwa 1,4 kg Gewicht.)
Das Schild eignet sich nur bedingt zum Schutz vor geworfenen Gegenständen. Aber vor allem Streifenbeamte, die wenig Platz in ihren Fahrzeugen haben, können so ein Schild verwenden um bei Notzugriffen besser geschützt zu sein. Also bei allen Zugriffen die entweder eine geringere Gefährdung haben oder wo nicht auf Spezialkräfte gewartet werden kann. Beim Einschlagen von Fensterscheiben und Autoscheiben hat man mit einem Armschild ebenfalls einen besseren Schutz wie nur mit einem Glasbrecher. Und sowohl beim Eindringen in Gebäude, wie auch bei Zugriffen an Fahrzeugen wird meist eine Gefährdung durch plötzlich eingesetzte scharfe oder stumpfe Waffen gegeben sein. Hierbei kann eine Einsatzkraft sich mit dem linken Arm und dem Schild schützen, während mit dem rechten Arm gleichzeitig andere Einsatzmittel / Waffen verwendet werden können.
Streifenbeamte können ihre Schutzweste und einen Helm mit einem ballistischen Armschild ergänzen. Das passiert in Deutschland bisher meist mit zusätzlichen Überwürfen, die jedoch die Bewegungsfreiheit stark einschränken. Aus diesem Grund wird die Verwendung der Überwürfe sogar von einigen Einsatzkräften verweigert. Ich gehe davon aus, dass bei Zugriffen die Akzeptanz und das Sicherheitsgefühl von Einsatzkräften mit einem Schild besser ist. Ein ballistischer Schulterüberwurf wird vermutlich vor Schusswaffen besser schützen, aber wenn die Einsatzkräfte mit scharfen oder stumpfen Waffen angegriffen werden, wird ein Schild garantiert besser sein. Und vor allem auch zur moralischen Unterstützung, um mittelmäßig ausgebildete Einsatzkräfte zum Vordringen im active shooter Fall zu bringen, wird ein Schild einen relevanten Einfluss haben. Schleswig-Holstein hat übrigens alle Streifenwagen mit ballistischen Schildern ausgerüstet.
Erinnert Ihr euch noch an die alten Aufnahmen, aus den 80er und 90er Jahren von der Bereitschaftspolizei bei Ausschreitungen? Sie standen in einer Reihe nebeneinander mit großen Plexiglasschildern und haben sich bewerfen lassen. Sie konnten kaum agieren und waren den Pflastersteinen ausgeliefert. Da man die Schwächen dieser großen Schilder erkannt hat, hat sich auch einiges an den Einsatztaktiken geändert. Auf weitere Details dazu will ich nicht eingehen.
Seit wenigen Tagen (07/2020) kann man auch bei der Hongkong Polizei Armschilder im Einsatz sehen. Sie erscheinen etwas kleiner als mein eigenes und sie haben auch die scharfen Stahlspitzen nicht an der Vorderseite. Offenbar sind sie auch im Bereich des Ellenbogens etwas nach außen gebogen, um mehr Bewegungsfreiheit zu bieten. Da diese Schilder offenbar extra für Demonstrationen beschafft wurden, mach das natürlich auch Sinn, um Verletzungen zu vermeiden. Ob sich diese kleinen Schilder zum Schutz bei Ausschreitungen bewähren wird sich zeigen.
Quelle: https://hongkongfp.com/2020/07/02/hong-kong-police-arrest-man-at-airport-for-allegedly-stabbing-a-cop-at-protest/
Das Schild ist 70 x 30cm groß und wird mit einem Klettverschluss am linken Unterarm befestigt. Es wiegt 2,4 kg und ist aus "UHMWPE" Fasern. Das bedeutet Ultra-High-Molecular-Weight Polyethylene, was eher bekannt ist als Dyneema. Das ist eine etwas andere Faser als Kevlar, die ebenfalls in der Lage ist Geschosse aufzuhalten. Die US Schutzklasse dieser Schilder, NIJIIIA, entspricht etwa der deutschen Klasse 1 und hält Kurzwaffengeschosse (auch .44 Mag, .50AE usw.) und auch Kaliber 12 Flintenlaufgeschosse. Ein derartiges Schild kostet etwa 360 Euro, bei einer Bestellung in China. Den Hersteller meines Armschildes (CCGK) findet Ihr HIER.
Die LED entwickelt geschätzte 200 Lumen. Der Schalter hat zwei Stufen, Dauerlicht und Stoboskop. Bei der Herstellung des Schildes wurde sogar darauf geachtet, dass die Lampe nur mit kleinen Löchern befestigt ist (2 für Schrauben und eines für das Kabel). Ich vermute, dass das Schild sogar einen Treffer auf die Lampe stoppen würde.
Schlecht gemacht ist die vorstehende Linse. Diese wird sehr schnell verkratzen, weil man solche Schilder oft auf den Boden legt. Ich habe vorerst eine Papprolle darüber geklebt.
Der Einsatz eines Schildes ist nur in Verbindung mit einem Helm und einer Schutzweste sinnvoll. Je nach Bedrohungslage kann es in Kombination mit einem Schlagstock oder einer Kurzwaffe eingesetzt werden.
Bei dieser Haltung (links) der Einsatzmittel gibt man mehr von den ungeschützten Stellen des Körpers frei. Zusätzlich ist die Kurzwaffe sehr dicht vor dem eigenen Gesicht. Sinvoller ist die Haltung unten.
Mit einem Armschild kann man notfalls auf sehr viele Arten zuschlagen, z.B. auch mit der Ellenbogenseite nach hinten. Sollte eine Einsatzkraft festgehalten werden, oder nach einer Dienstwaffe gegriffen werden kann man mit einem Armschild die angreifende Hand weg schlagen. Mit einem gebräuchlichen großen Schutzschild ist das nicht möglich. Bei diesem Stoß nach vorne sieht man, dass man seine Deckung dabei nicht aufgibt.
Das hier ist die Abdränghaltung.
(entschuldigt bitte die schlechte Bildqualität)
Fast alle Armschilder haben an der Vorderseite eine Ausbuchtung, teilweise mit scharfen Spitzen. Dies dient zum Festlegen vom Waffenarm des Angreifers. Man kann natürlich gegen diese Option argumentieren und sagen, dass das Festlegen eines messerführenden Arms schwierig und gefährlich ist, aber ein weiter Gedankenansatz und erweiterte Handlungsoptionen bieten die Schilder mit der Ausbuchtung auf jeden Fall. Die Ausbuchtung meines Schildes scheinen dafür die perfekten Maße zu haben. Zusätzlich kann man mit den Stahlspitzen sehr leicht Scheiben einschlagen und bei lebenbedrohlichen Angriffen auch zuschlagen. Da diese Spitzen aber auch bei einem leichten Handgemenge zu relevanten Verletzungen führen kann, sollte die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes vorher geprüft werden. Für eine behördliche Verwendung wäre evtl. ein Schild ohne solche Spitzen vorzuziehen.
Beim Stürmen von Gebäuden und beim Zugriff geht meist "Wirkung vor Deckung". Und obwohl das Armschild sehr kompakt ist, deckt es einiges vom Körper ab.
Ein Schildträger ist immer in seinen Handlungsoptionen eingeschränkt. Er wird z.B. auch keine Taschenlampe verwenden können, weshalb die meisten Armschilder LED Lampen eingebaut haben. Bei einer Verwendung als präventive Körperschutzausstattung wird eine montierte Lampe nicht nötig sein. Wenn man ein Armschild aber bei Zugriffen trägt wird man fast nicht ohne Lampe auskommen.
Wenn man beide Hände anderweitig braucht, kann man den linken Unterarm entweder in der Schlaufe, und das Schild hängen lassen, oder man hat einen Trageriemen daran befestigt.
Da auch das Durchsuchen und Fesseln mit einem angelegten Schutzschild kaum möglich ist, sollte logischerweise immer nur ein Teil der Einsatzkräfte ein Schild haben. Also bei einem Zugriff nur die ersten 1-2 Mann. Man kann Schilder natürlich auch mit einem Trageriemen ausstatten. Wie das bei meinem Armschild passieren kann muss ich aber erst noch ausprobieren.
Ein Armschild schützt wesentlich besser als ein üblicher Unterarmschutz, wie sie bei Demonstrationen eingesetzt werden. Ein normaler Unterarmschutz deckt kaum die von Messern gefährdeten Körperteile ab und eignet sich auch kaum zum Abwehren einer Klinge. Sie sind mehr zum Schutz vor Knochenbrüchen gedacht.
Der Problem bei der Waffenhaltung oben ist, dass man dafür zwingend ein Laservisier braucht. Und selbst wenn man das hat, kann man die Kurzwaffe nur schlecht einsetzen, aus der Mulde im Schild. Die meisten Schilder haben auch an der Front Metallspitzen, seinen eigenen Waffenarm würde man sehr leicht daran verletzen, wenn man die Kurzwaffe derart hält.
Nach einer langen Suche im Internet konnte ich nur diese Videos finden in denen Einsatztechniken mit Armschildern gezeigt werden. Man merkt aber, dass sich diese Schilder auch in China gerade erst verbreiten und etablieren. Es gibt viele Berichte über die Ausstattung von Polizeibehörden damit. Ich gehe also davon aus, dass es bald noch mehr Lehrvideos geben wird.
Bereits seit längerer Zeit werden derartige Stangen zum Festlegen von Messer tragenden Angreifern in China verwendet. Sie entstammen alten Kampfkünsten und werden meist Man Catcher oder Sasumata genannt. Die mit der kleinen Öffnung hier links ist zum gezielten Festhalten/Wegziehen von einem Arm oder Bein. Die großen zum Festhalten des ganzen Körpers. So wie man bei uns in Schulen, Bahnhöfen und an öffentlichen Plätzen Defibrillatoren aufgestellt hat, findet man in China oft "Man Catcher", damit Jedermann sofort gegen Angreifer vorgehen kann. Daran ausgebildet werden dort nicht nur Polizisten, sondern meist auch die dortigen Mitarbeiter (z.B. Schaffner).
Quelle: https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/krisen/id_84327758/china-uiguren-werden-immer-staerker-unterdrueckt.html
Hier ist eine andere derartige Stange zum Abwehren von Messern. Beachtet die Klappvorrichtung an der Spitze.
Quelle: https://www.theguardian.com/world/2015/mar/06/china-knife-attack-suspect-shot-dead-after-wounding-nine-poeple
Und wer meint, dass die Sasumata "Man Catcher" nur chinesischer "Kung Fu Unsinn" sind, kann sich ja mal das Bild hier von einem deutschen SEK anschauen. Diese haben fast gleich aufgebaute Waffen.
Quelle: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hallo_niedersachsen/Online-Spielhalle,spielhalle136.html
Beachtet bezüglich dem Schutz vor Messerangriffen bitte auch meinen Bericht über Schnittschutzkleidung,
über Schnittschutz Handschuhe, der Rucksack mit ballistischen Einlagen und über ballistischen
Schutz.