-Stichschutz Aufrüstung von ballistischen Westen
-Günstige Stichschutzwesten
-Hochwertige Stichschutzwesten
-Stichschutz von Armadillotex
-Test von Kevlar und Zylon Einlagen
-Meine Stichschutz Testmaschine
Foto: Das Innere des SW-4 der Landespolizei BW bietet weit mehr, als nur Stichschutz.
In Deutschland werden von den diversen Polizeibehörden meist nur gewöhnliche Kevlarwesten gegen Kurzwaffengeschosse beschafft. Diese Kevlarwesten haben einen "bedingten Stichschutz". Andere Fasern (oder auch Folien) haben teilweise einen besseren Stichschutz, aber dafür andere Nachteile wie eine größere Steifigkeit. Für Stichschutz wird durch die Behörden oft nicht gesorgt, diesen müsste man nämlich zur Kevlareinlage nachrüsten, was richtig teuer werden kann. Zusätzlich macht es die Westen schwerer und dicker. Die Aufrüstung von ballistischen Schutzwesten ist daher immer ein Kompromiss, mit Vor- und Nachteilen. Manche Behörden beschaffen kombinierte Schutzwesten, die einen guten Stichschutz beinhalten (Video). Diese haben dann aber meist schlechtere Leistungen um Geschosse aufzuhalten. Die Einlage in diesem Video wird z.B. keine Mehrfachtreffer aus einer Maschinenpistole stoppen, was eine gewöhnliche deutsche SK1 Einlage aber schafft.
Links seht Ihr das Typenschild der Foxtrot Delta 103 "Emergency Rescue" Weste. Sie ist nicht zertifiziert und deswegen sehr günstig. Ihre Stichschutzhemmung wird mit 8 Joule, nach dem HOSDB Standart, angegeben. Die geringste Stichschutzklasse nach HOSDB Standart (KR1) verlangt aber 24 Joule. Weiter unten auf dem Typenschild ist die "Schusshemmung" gegen Handfeuerwaffen angegeben, wofür die Weste eigentlich gemacht ist. Das zeigt, was es bedeutet, dass die meisten klassischen Unterzieh-Schutzwesten nur einen "bedingten Stichschutz" haben. Wie es nach einem Messerangriff aussieht haben viele Einsatzkräfte schon gesehen. Allen Anderen kann ich diese Dokumentation empfehlen.
Als Bayern zum ersten Mal Schutzwesten für alle Polizisten gekauft hat, wurden die nagelneuen Westen von Second
Chance beschafft. Diese wurden mit dem zusätzlichen Stichschutz ausgeliefert, den Ihr links seht. Es handelt sich dabei um ein Kettengeflecht in Filz. Da die Verwendugung von Zylon ein Debakel war, ging die Firma innerhalb weniger Jahre Pleite. Aus der
Konkursmasse habe ich damals mehre der Stichschutzeinlagen, für jeweils 20 Euro, gekauft. Nicht nur für mich, sondern auch für einige Kollegen, die damit ihre SK1 Westen aufgerüstet haben.
Von diesen Ketteneinlagen hatte ich kurzzeitig vorne und hinten, jeweils eine zusätzlich zu den ballistischen Paketen, in meiner Schutzweste. Die Weste war mir auf Dauer mit beiden Zusatzeinlagen einfach zu schwer und zu dick und ich habe einige Jahre nur noch eine hinten drin gehabt, weil ich eher von hinten mit Messerangriffen gerechnet habe. Etwas später habe ich dann nur noch die normalen SK1 Einlagen, ohne extra Stichschutz, getragen.
Bedenkt zu diesen Einlagen, dass sie nur zur Aufrüstung von SK1 Westen vorgesehen sind. Die angegebenen Schutzwerte erreichen sie ohne die ballistischen Einlagen nicht.
Vergleichbare Einlagen kosten sonst etwa 200 Euro für ein Paar. Gelegentlich findet man auch entsprechende gebrauchte Einlagen von Mehler.
Es gibt auf dem Markt Stichschutzwesten, in denen sich eine große Kunststoffplatte befindet. Zusätzlich haben sie in der Mitte der Weste, vor der Brust, eine Aluminium Platte. Diese Westen werden oft von privaten Sicherheitsmitarbeitern verwendet und kosten nur etwa 50 Euro. Auch ich habe vor vielen Jahren so eine Weste gekauft, für meine Arbeit beim Sicherheitsdienst. Sie war so steif, dass ich damit nicht mehr aus der Rückenlage aufstehen konnte! Eine Schutzweste bringt einem wenig, wenn man damit nicht kämpfen kann. Meine habe ich, nach wenigen Tagen im Einsatz, gleich wieder verkauft und ohne Schutzweste weitergearbeitet. Mir ist bewusst, dass diese Westen von wirklich vielen Menschen gekauft werden und es dazu auch einige Youtubevideos gibt, wo sie angepriesen und gelobt werden. Auffällig an den Videos ist, dass sie direkt nach dem Auspacken gemacht wurden. Die Westen werden kurz "getestet" und das war es dann. Ich habe kein einziges Video gefunden, wo es einen Langzeittest dazu gibt. Ich will wirklich nicht ausschließen, dass es von diesen Westen auch gute und bewegliche gibt. Im Gegensatz zu diversen anderen Bloggern habe ich aber eine Langzeiterfahrung zu diesen Westen: Sie war nach zwei Tagen nicht mehr tragbar und damit völlig unbrauchbar. Ich rate vom Kauf dieser Westen ab.
Es gibt diese Westen inzwischen auch VPAM KDIW zertifiziert (Klinge, Dorn, Injektions Würfel). Diese Westen bieten natürlich einen ausreichenden Schutz . Die "Sector TW 20" erfüllt sogar die Klasse K3, was den Einstich eines Messers mit 65 Joule stoppt, was sehr beachtlich ist. Ich selber würde sie mir, wegen der eingeschränkten Beweglichkeit, dennoch nicht kaufen.
Das hier links ist genau so eine billige Stichschutzweste, die bei Achtung Kontrolle fälschlicherweise "Stich- und Schusssichere Weste genannt wurde (Video).
In Neugablonz gab es übrigens, bis etwa 2014, die Firma Kamp. Diese hat Stichschutzwesten aus Aluminiumwaben hergestellt, auf ihren Maschinen für die Schmuckherstellung.
Bei ebay, Aliexpress, Whish usw. bekommt man sehr günstige Stichschutzwesten (für 20-60 Euro). Wenn man sie aus China direkt bestellt, weiß man halt nie, was dann wirklich ankommt. Teilweise werden sie wohl mit wirkungslosem Schaumstoff, oder ganz ohne Einlagen geliefert. Oft ist aber die unten links zu sehenden Einlage aus beweglichen Metallplatten drin. Die Schutzwirkung dieser Einlage war in allen Tests, die ich im Internet gesehen habe, sehr gut. An der Qualität der Westenhülle habe ich aber starke Zweifel. Ich fage mich auch, ob die Weste laute Geräusche verursacht. In der Hand hatte ich so eine Weste noch nie. Quelle: Aliexpress.com
Das Typenschild stammt von der sehr hochwertigen Stichschutzweste von BSST im oberen Bild. Sie wurde nach der englischen HOSDB KR1 Klasse zertifiziert. Diese Zertifizierung nimmt auch das Beschussamt in Mellrichstadt vor. Wenn ich richtig informiert bin, beinhalten die Einlagen bewegliche Aluminum Segmente und stoppt eine Messerklinge mit 35 Joule. Nach außen sind die Einlagen gepolstert.
Ich habe diese Weste (gebraucht) selber gekauft und will sie daher nicht zerlegen. Sie ist einwandfrei nutzbar und wäre viel zu schade, um sie bei Tests zu zerstören. Neu kostet so eine Weste etwa 460 Euro. Ich muss ganz klar sagen, dass sie den billigen Stichschutzwesten im Tragekomfort haushoch überlegen ist. Sie trägt sich angenehm und lässt sich auch recht einfach unter der Kleidung verbergen. Das innen verbaute Metall ist beim Tragen absolut geräuschlos.
Das hier links ist eine Mehler Stichschutzweste aus einem ehemaligen Polizeibestand (wer sonst hätte diese furchtbar Farbe gekauft). Sehr unüblich daran ist, dass mit dieser Weste eine Polizeibehörde eine reine Stichschutzweste beschafft hatte, die keinen Schutz vor Geschossen bietet. Sie verfügt leider über kein Typenschild und daher weiß ich auch nicht, ob sie nach einer bestimmten Schutzklasse zertifiziert wurde. Das Schutzpaket besteht bei dieser Weste aus mehreren Lagen Titanfolie. Die Folien sind auf der Außenseite von einem Schaumstoff umgeben. Wenn man sich eine derartige Weste neu kauft, muss man mit einem Preis von 250 - 450 Euro rechnen. Ein entscheidender Vorteil von allen Stichschutzwesten mit Titanfolien, Kunststoff-, oder Aluminiumplatten ist, dass sie auch vor Nadelstichen schützen. Einlagen mit einem Kettengeflecht können das meist nicht leisten. Selber getragen habe ich eine Stichschutzweste mit Titanfolien noch nie. Ein Freund von mir beschreibt diese Westen als leicht und angenehm zu tragen. Man hätte mit so einer Weste lediglich ein ganz leichtes Cola-Dosen Gefühl. Als wirklich problematisch empfindet er die Farbe.
Ich habe mit Kettenhemden keine Erfahrung. Ich vermute, dass sie durch ihr Rasseln Aufmerksamkeit erregen können und dass sie im Nahkampf nach oben rutschen können und so ihre Schutzfunktion nicht mehr gegeben ist. Ich hab wegen dieser Bedenken daher immer Schutzwesten bevorzugt. Vielleicht sind sie aber dennoch für den ein oder anderen eine Option.
Ich bekomme regelmäßig Lesermails, wo ich nach meiner Meinung über die Stichschutz Produkte von Armadillotex gefragt werde. Daher will ich hier ein paar Worte dazu sagen. Ich hatte bisher lediglich die Materialprobe, unten auf dem Foto, selber in der Hand. Sie hat einen wirklich guten und durchdachten Eindruck gemacht. Aber von einer Materialprobe in der Hand, kann man kaum seriöse Rückschlüsse auf die Trageeigenschaften einer Stichschutzweste, oder einer entsprechenden Jacke ziehen. Dabei sind ja Aspekte wie die Wärme- oder Feuchtigkeitsableitung, das Gewicht und die Steifigkeit wichtig. Der Markt der Stichschutzprodukte ist recht unübersichtlich, aber Armadillotex hat sich am Markt etabliert. Das Preis- Leistungsverhältnis erscheint sehr gut. Wenn ich derzeit eine Stichschutzweste bräuchte, würde ich mir vermutlich eine von Armadillotex, Mehler, oder BSST, kaufen. Wenn ich eine Stichschutzjacke wollte, wäre Amadillotex meine erste Wahl.
Nachtrag von 22/2020: Die Westen sind inzwischen VPAM KIDW K1 zertifiziert. Die Preise für die zertifizierten sind aber einiges höher (ca. 500 Euro). Soweit ich weiß, sind die zertifizierten und die nicht zertifizierten Westen absolut baugleich.
Ich habe das Foto unten von einem Leser bekommen. Er beschreibt die Jacke als angenehm zu tragen. Die Stichschutz Einlagen würde man dabei kaum merken, sie wäre nur merklich schwerer, als normale Jacken.
Ich will noch etwas zum Stichschutz und unterschiedlichen Klingenformen sagen. Dolche kamen in meinen Tests nur schwer durch die Kevlar Einlagen. Was dagegen sehr gut penetriert hat, waren Tanto Klingen. Das ist auch der Grund warum das Kampfmesser 2000 bei der Bundeswehr beschafft wurde. Ob eine Klinge durch geht, kann man aber sonst fast nicht vorhersagen. Diese Beiden hier sind damals durch die Westen gegangen als wäre es nur ein Stück Pappe. Vor allem das Reality Based hat die Kevlareinlage einfach nur zerfetzt! Einige der Einlagen habe ich damals gleich weg geworfen, weil davon nicht mehr viel übrig war. Aber auch hier muss ich zum Verständnis noch mal sagen, dass es sich dabei um ballistische Einlagen handelt, die nicht zum Schutz vor Messerstichen gebaut wurden.
Als ich mich erneut mit Schnittschutzkleidung beschäftige und die Terroranschläge und Amokläufe mit Messern immer mehr wurden, wollte ich noch mal einen kleinen Test bzgl. dem Stichschutz von Schutzwesten machen. Dazu hatte ich noch eine Splitterschutzeinlage der Bundeswehr von 1994 rum liegen. Das Rettungsmesser Sanremu LAND und ein Taschenmesser mit einer "normalen" Klingenform konnten dem Kevlar nichts antun und durchtrennten lediglich sehr wenige Lagen (oben links im Bild). Mein Leatherman WAVE und das Benchmade SOCP aber penetrierten das Schutzpaket problemlos. Und dem Böker Reality Based hat Kevlar nicht viel entgegen zu setzen!
Es ist wichtig zu wissen wo die Grenzen der persönlichen Ausrüstung liegen. Den Böker Reality Based und Leatherman Wave Klingen hatten die Kevlarwesten nichts entgegen zu setzen.
Ich gehe davon aus, dass eines der üblichen Messer von Straßenschlägern nicht durch diese Weste kommt. Aber da die Alterung von Zylon Fasern nicht vorhersehbar ist würde ich mich persönlich nicht auf diese Westen verlassen und mir auch niemals eine Second Chance Weste kaufen.
Nachtrag: Bei späteren Tests lies sich die Einlage wesentlich leichter durchstoßen.
Inspiriert vom Ablauf der Stichschutz Zertifizierung des UK Home Office, wollte ich mir einen vergleich- und wiederholbaren Stichschutztest schaffen (Video, Video). Hierfür habe ich mir ein altes Wurfmesser mit Dolchklinge in einer Plastikflasche montiert und festgeklebt. Hinten in die Flasche habe ich 2kg Blei gelegt. Die Flasche kann ich nun, durch ein paar Kunststoffrohre, auf ein Prüfmuster fallen lassen. Im Home Office Test wird dafür ein 1,8kg Gewicht aus 1,3m Höhe fallen gelassen. Das entspricht den geforderten 24 Joule Auftreffenergie. Das Messer für den offiziellen Test ähnelt einem Tanto (oben rechts im Bild) und ich vermute, dass es die Stoffe leichter durchdringt, wie meine (eher stumpfe) Dolchklinge. Aber das alles soll ja die offiziellen Tests nicht 1:1 kopieren, sondern mir selber nur einen Anhalt geben.
So schlecht schnitt die dünne Splitterschutzeinlage gar nicht ab, obwohl sie mit dem 11mm Durchstich nicht die, für die HOSDB KR1 Schutzklasse max. erlaubten, 8mm eingehalten hat. Ich muss aber erneut sagen, dass die offizielle Testklinge vermutlich wesentlich tiefer durchgestoßen wäre.
Der Untergrund ist entscheidend:
Wenn man das Prüfmuster lediglich auf ein Holzbrett legt, wird keine Klinge durchdringen. Auch wenn man es auf ein weiches Kissen legt, wird kein realistisches Ergebnis erzeugt. Ich hab unter dem Fallrohr einen Holzbrett, auf das ich Teile von gewöhnlichen Versandkartons lege. Um diese kommt etwas Paketband, so dass daraus eine stabile Unterlage wird, die dem Prüfmuster genug Widerlager bietet, die aber von der Klinge problemlos durchstoßen werden kann.
Probleme meines Testaufbaus:
Ich wollte eigentlich die Möglichkeit haben, die Klingen in der Flasche wechseln zu können. Da das nicht funktioniert hat, habe ich sie einfach dauerhaft festgeklebt. Mit Wechselklingen könnte man aber interessantere Tests machen.
Die Flasche und die Röhre passen nicht 100%ig zusammen und daher weicht der Auftreffwinkel der Klinge immer etwas ab. Wenn man sich etwas Mühe gibt, kann man das Fallgewicht so anpassen, dass es immer genau senkrecht auf das Prüfmuster trifft.
Mit etwas handwerklichem Geschick kann man vermutlich recht einfach eine Auslösevorrichtung mit einer Schnur oben am Rohr montieren. Das würde ebenfalls dazu führen, dass die Tests konstant verlaufen.