Die meisten langjährigen Jäger werden das Problem kennen. Sie finden ein krankes oder verletztes Tier das nicht dem Jagdrecht unterliegt bzw. das geschützt ist. Durch die rasante Ausbreitung von Wolf und Biber werden derartige Fälle nun auch öfter vorkommen.
Was man mit verletzten Tieren macht hängt immer sehr vom Einzelfall ab. Ist es ein Haustier, Wildtier, eine geschützte Art, ein "Sympatieträger" (Biber, Luchs...), hat es Schonzeit, wie schwer ist es verletzt, gibt es Zuschauer, was für Auffangstationen gibt es in der Nähe.... Aufgrund dieser unzähligen Fallkonstellationen kann und will ich hier nicht jeden möglichen Fall beschreiben und rechtlich durchdenken. Aber ich hoffe, dass ich einen Überblick über die komplizierte Rechtslage geben kann.
Mit einigen Jahren Jagderfahrung wird man einschätzen können ob ein verletztes Tier eine realistische Überlebenschance hat und der Aufwand im Verhältnis zu den Kosten und dem Schutzstatus des Tieres steht. Als Jäger (oder natürlich auch als Polizist) hat man eine Verantwortung den Tieren gegenüber. Und man wird immer bestrebt sein sich bestmöglich um verletzte Tiere zu kümmern. Aber kaum jemand wird ein verletztes Reh zum Tierarzt bringen wollen. Das wäre einfach falsch verstandene Tierliebe. Unser Ziel ist schließlich Probleme zu lösen und nicht durch Weltverbesserermanier welche zu verursachen! Die Meinung der meisten Tierärzte ist, dass kleine Wildtiere durchaus versorgt werden können. Ab der Größe eines Rehs ist jedoch das töten idR. aus Tierschutzgründen vorzuziehen, da bereits der Kontakt mit Menschen dem Wildtier zu viel Stress verursacht.
In diesem Zusammenhang mag ich Euch kurz die Geschichte einer Kollegin erzählen: Diese Kollegin wurde zu einem Wildunfall gerufen. Als sie an der Unfallstelle eintraf kniete die Beifahrerin des Unfallverursachers neben dem toten Reh auf der Straße und führte eine Herzdruckmassage beim Reh durch. Sie rief den Polizisten gleich zu, dass sie schnell etwas unternehmen müssten um das Reh zu retten. Als die Kollegin ihr nun erklärte, dass sie höchstens einen Fangschuss anbringen würde wurde ihr das eigene Verhalten offenbar ziemlich peinlich. Ihrem Ehemann war das Alles aber noch viel peinlicher.
Alles wird sich auf die Frage konzentriern: Erlegen oder Versorgen?
Doch um diese Frage zu beantworten muss man zunächst beachten, dass es je nach Tier rechtlich unterschiedliche Konstellationen geben kann. Tiere gelten nur im bürgerlichen Recht als "Sachen", also dort, wo es um die Besitzverhältnisse geht. Das Ganze ich jedoch viel komplizierter. Und die verblendeten Menschen die "Tierrechte" schaffen wollen haben nicht mal ansatzweise unseren bereits sehr komplizierten gesetzlichen Tierschutz verstanden.
Haustiere, Zootiere: Hund, Pferd, Kuh, Giraffe oder Löwe.
Für diese Tiere gilt lediglich das Tierschutzgesetz. Dort steht drin, dass man ihnen keine erheblichen Schmerzen zufügen darf und man sie nicht ohne vernünftigen Gründ töten darf. Das Töten von verletzten Haustieren ist daher rechtlich prinzipiell kein Problem, wenn das Einverständnis des Besitzers vorliegt. Was jedoch Schwierigkeiten bereiten kann ist, dass der rechtfertigende Notstand kaum das Schießen zulässt, denn es ist kein "Rechtsgut" in Gefahr. Das Schießen erfolgt nicht im Rahmen der Jagd, man ist daher evtl. auch nicht versichert. Wenn die Polizei den Fangschuss anordnet sollte das jedoch auch kein Problem sein. Man sollte den Beamten das rechtliche Problem erläutern und sie um die mündliche Anordnung bitten, schriftlich wird man auf der Straße nichts bekommen. Ggf. kann der Jäger der Polizei für seinen Einsatz eine Rechnung stellen. Prinzipiell sollte man lieber einen Tierarzt hinzuziehen der das Tier einschläfern kann. Dessen Urteil, dass das Tier keine Chance mehr hat wird später auch kaum jemand anzweifeln.
Sollte von einem Haustier eine Gefahr ausgehen kann man unter Abwägung der Rechtsgüter vom rechtfertigenden Notstand Gebrauch machen und in eigener Verantwortung Schießen (Kuh rennt auf Bundesstraße, Hund greift Kinder an, Löwe bricht aus...).
Wildtier: Fuchs, Reh, ... und Eichelhäher (In Bayern jedenfalls ;-)
Das sollte ich vermutlich keinem Jäger erklären müssen. Verletztem Wild wird der Fangschuss gegeben. Schwierig wird das Ganze nur, wenn führende Muttertiere verletzt sind. Ich persönlich würde versuchen die Jungtiere zu einer Auffangstation zu bringen (bei mir gibt es aber keine in der Gegend...).
Allgemein geschützte Arten: Bisam, Waschbär, Nutria, Marderhund, Wanderratte und einige Mäuse.
Um diese Tiere töten zu dürfen bedarf es eines "vernünftigen Grundes". Sollte es ensprechend verletzt sein ist dieser Grund natürlich gegeben. Dazu kommt, dass eine Dezimierung dieser Arten sowieso anzustreben ist. "allgemein geschützt" sind nur die Tierarten, von denen es viele gibt. Das Schießen durch Jagdscheininhaber ist gem. dem WaffG zulässig.
§13 Abs. 5 WaffG. Der befugten Jagdausübung gleichgestellt ist der Abschuss von Tieren, die dem Naturschutzrecht unterliegen, wenn die naturschutzrechtliche Ausnahme oder Befreiung die Tötung
durch einen Jagdscheininhaber vorsieht. (Übertragungsklausel)
Besonders geschützte Arten: Das sind fast alle wild lebenden Tiere die nicht den allgemeinen unterliegen. Vor allem die meisten Vögel, Eichhörnchen, Siebenschläfer usw.
Streng geschützte Arten: Wolf, Biber, Fischotter, Luchs, Wildkatze, Feldhamster, Feldermäuse, diverse Vögel.. (strenger Schutz bedeuted lediglich, dass für diese Tiere zusätzlich ein Störverbot durch Aufsuchen und Fotografieren besteht).
HIER ist eine Liste aller Arten dieser beiden Gruppen.
§ 44 BNatSchG Abs. 1:
Es ist verboten,wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten.
Einfach gesagt: Ein Jäger hat keine Befugnis ein besonders oder streng geschützes Tier zu töten. Auch nicht um es von seinen Leiden zu erlösen. Ein Polizeibeamter kann hierfür idR. eine "Auffang-Befugnis" verwenden. Also die Selbe die auch zum Erlösen von verletztem Wild verwendet wird um eine "Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" abzuwenden. Diese Gefahr liegt nämlich vor wenn ein Tier leidet. Jedoch sollte man dann alles gründlich dokumentiert haben, denn eine Anzeige von Besserwissern wird bestimmt folgen. Die Polizei kann diese Maßnahme anordnung und damit einen Jäger beauftragen. Das ist aber nur die Theorie und in keinem Fall allgemein gültig.
Wolf: Für den Wolf gibt es je nach Bundesland Managementpläne die das Vorgehen bei verletzten oder kranken Tieren regeln. In Bayern steht im "Managementplan Bayern Stufe 2" Nr. 8.2. dass eine "vom LfU beauftragte erfahrene Person" hinzugezogen werden muss, ggf. zusätzlich ein Tierarzt, und diese entscheiden über das weitere Vorgehen. Ein Jäger hat in keinem Fall eine Befugniss einen Wolf zu töten. Auch wenn dieser dadurch lange leidet. HIER wurde ein Jäger für einen derartigen Fangschuss verurteilt.
Luchse: Der Managementplan Luchse in Bayern enthält leider keinen vorgeschriebenen Verfahrensablauf für verletzte oder kranke Tiere.
Bär: Gibt es derzeit sowieso nicht in meinem schönen Bayern :-)
Biber: Wie ich bei den Bibern bereits geschrieben habe gibt es bei mir sehr viele Unfälle mit Bibern. Nach den Rehen, Füchsen und Dachsen kommen zahlenmäßig die Biber als nächstes bei den "Tierunfällen". Und das hat schon viele Jäger vor Probleme gestellt. Die Jäger werden hinzugezogen und sind rechtlich mit dem geschützten Biber schnell überfordert und eben auch nicht zuständig. In Bayern ist jedenfalls das Problem hinsichtlich der verletzten Biber bereits geregelt. Hier ist die Richtlinie zum Bibermanagement. Sofern das Töten eines verletzten Bibers erfolderlich ist dürfen das Jäger und Polizisten in Bayern ohne weitere Einzelfallgenehmigung. HIER ist ein Fall in dem z.B. auch keiner wusste wie man mit einem verletzten Biber umgehen soll.
Rücksprache halten!
Tagsüber sind die KVB (Kreisverwaltungsbehörden) für den Artenschutz und das Jagdwesen zuständig. Abends und nachts die Polizei. Für Jäger empfielt es sich mit der Behörde Rücksprache zu halten (Namen des Gesprächspartners notieren!!!!). Für alle Tiere die dem Jagdrecht nicht unterliegen sind Jäger sowieso nicht verantwortlich. Aber auch die Polizei, Jagd- oder Naturschutzbehörde werden um Hilfe und Unterstützung dankbar sein. Und schwerwiegende Entscheidungen treffen sich leichter gemeinsam. Vor allem sind die Chancen nachts bei der örtlichen Polizei jemanden zu erreichen der sich mit Artenschutz auskennt verschwindend gering. Da werden Jäger idR. mehr Erfahrung / Wissen haben.
Versorgen von verletzten Tieren:
Kann man ein Wildtier selber gesund pflegen?
Die Antwort darauf bietet das Naturschutzgesetz.
§45 BNatschG:
(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können....Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden.
Beachten sollte man aber auch, dass evtl. weitere Vorschriften aus anderen Gesetzen beachtet werden müssen. Im Art. 52 Abs. 2 Nr. 12 a des BayJG steht z.B., dass man das Erlangen von "Wild" dem Jagdausübungsberechtigten oder der Polizei anzeigen muss.
Soll man ein verletztes Wildtier zum Tierarzt bringen?
Das kann man schon tun, aber derjenige der das Tier an sich nimmt MUSS die anfallenden Tierarztkosten tragen. Es wird gelegentlich wirklich behauptet, dass Tierärzte zu einer kostenlosen Behandlung verpflichtet sind, das ist falsch! Viele Tierärzte behandeln im Notfall die Tiere aber auch konstenlos, das muss aber vorher abgeklärt werden.
Kann man ein Wildtier in das örtliche Tierheim bringen?
Das muss man vorab mit dem Tierheim abklären ob sie auch Wildtiere nehmen. Um solche Fragen sollte man sich vorab kümmern um im Falle schnell reagieren zu können. Am besten stellt man solche Fragen vorab per Mail und speichert die Antwort, so kann man sich auf die Zusage berufen.
Tipp 1:
Sollte man sich entscheiden, dass das Erlegen des Tieres erforderlich ist kann man mit seinem Handy ein Video von dem Tier machen. Stellt euch vor ihr erlegt einen angefahreren Hund und das bekommt ein "Tierschützer" mit. Dieser wird euch im Zweifelsfall immer anzeigen und später behaupten, dass das Töten nicht erforderlich gewesen ist. Ein Video kann den schlechten Zustand gut belegen.
Tipp 2:
Fragt den Vorstand von eurem örtlichen Jagdverein ob der Verein eine Liste mit Auffangstationen und Tierärzten machen kann die verletzte Tiere gesund pflegen können. Die Tierschutzvereine werden sich über diese Anfrage der Jägerschaft freuen. Denn wer wird schon ein Rehkitz sich selbst überlassen wollen, dessen Geiß eben überfahren wurde?
Tipp 3:
Informiert euch wer in eurer Gegend über ein Betäubungsgewehr verfügt. Vor allem bei Einsätzen in befriedetem Gebiet oder mit geschützten Arten kann das aus einer komplizierten Lage einen gelungenen Einsatz machen.
Weiteres:
HIER ist ein gutes Merkblatt über Wildunfälle der GDP.
Und HIER ist ein Merkblatt der TVT "Nottötung von Wildtieren"
HIER ist ein Fall wo ein verletzter Wolf einem Tierarzt übergeben wurde.
Grundlegendes über Betäubungsgewehre
Wenn Ihr ernsthaft die teure und tolle VP9 von B&T haben wollt: Nichts ist unmöglich. Ihr müsst halt kreativ sein bei der Antragstellung und Euer Glück bei der Waffenbehörde probieren.
Wenn Ihr alle jagdschutzrelevanten Zeitungsberichte aufgehoben habt findet Ihr evtl. auch eine Argumentationsgrundlage, dass so eine Waffe nötig ist. Z.B. damit keine Unruhe bei Anwohnern entsteht durch einen Fangschuss am Tag, in der Nähe von Schulen, die Bundesstraße und der Wald liegen unmittelbar neben der Schule, ihr habt die letzten Jahre x Wildunfälle dort gehabt....
Nachtrag vom Feb. 2019:
HIER ist ein interessanter Bericht die Rechtslage in Schweden bzgl. verletzter und geschützter Wildarten mit der in Deutschland vergleicht.