Die ASS 33/6 Lacrimae Gaspistole von August Schüler

Die sehr seltene ASS 33/6 Lacrimae Pistole ist komplett aus Stahl gefertigt.
Die sehr seltene ASS 33/6 Lacrimae Pistole ist komplett aus Stahl gefertigt.

Die Lacrimae Pistole ist der Stolz meiner Sammlung. Eine 08 Pistole findet man in jedem Waffengeschäft, aber so etwas muss man lange, in meinem Fall mehrere Jahre, suchen. Natürlich ist es auch nicht einfach die Erlaubnis für derartige Waffen zu bekommen. Denn vor allem dafür ist viel Arbeit erforderlich. Zum Verständnis der Technik solltet ihr meinen Bericht über die Wadie Pistole lesen. Diese hat das selbe System. Dort könnt ihr auch etwas über die Munition lesen und ein Schussvideo anschauen.

 

Die Entwicklung der Pistole:

Die August Schüler Suhl Pistole ASS 33/6 war (zusammen mit der 6,35er von Menz für Patronen mit Papiergeschoss) in den 30er Jahren die erste halbautomatische selbstlade-Schreckschusspistole überhaupt. Bis dahin gab es eigentlich nur Einzellader und Repetierpistolen in diesen Bereich. Und natürlich noch die Pistolen mit Stangenmagazin, wie meine EM-GE Mod. 2. Entwickelt wurde die Idee der verschlusslosen Gaspistole vermutlich von Adalbert Kadits, der die Idee an August Schüler verkaufte. Was jedoch Schüler entwickelt hat war die scharfe Kobra Pistole in 6,35mm. An Ihr ist unverkennbar, dass sie in einigen Details als Vorbild bei der Entwicklung der ASS Pistole gedient hat. 

 

Aus dem DWJ Bericht über die ASS Pistolen (DWJ 10/2004) ist zu entnehmen, dass ASS Pistolen auch von der Firma Bermann gefertigt wurden (die wiederum auch Menz Pistolen herstellten). Und auch an die Firma "Karl Menz" wurden später Lizenzrechte für die ASS Pistole erteilt. Im Jahr 1942 wurde die Produktion der ASS verboten, da sich alle Waffenhersteller in Deutschland der Produktion von "kriegswichtigen" Produkten zu widmen hatten. Insgesamt ist die Geschichte der ASS Pistole also relativ komplex und unübersichtlich. Am Anfang des DWJ Berichts wird auch darauf hingewiesen, dass viele Details dieser Geschichte nicht schriftlich belegt sind.

 

Die Munition:

Die Rillenlosen "starkwand-Patronen" wurden vermutlich auch von Adalbert Kadits entwickelt. Sie ist mit Schwarzpulver geladen und benötigt kein Patronenlager. Bereits vor dem 2. Weltkrieg wurde für die Waffen sehr viel unterschiedliche Munition gefertigt, wie z.B. auch Parfumpatronen. Entsprechende Munition ist sehr selten und kaum noch irgendwo zu bekommen. Man erkennt die Munition sofort daran, dass sie aus Messing ist, im Gegensatz zur Nachkriegsmunition aus Alu.

An dieser Stelle will ich wieder auf die Seite eines Freundes verweisen, der einige ASS Pistolen mehr hat als ich und auch die dazu passenden Munitionsschachteln vorstellt.

8mm Lacrimae Gaspatronen für die ASS Pistole aus Messing aus den 30er Jahren.
8mm Lacrimae Gaspatronen für die ASS Pistole aus Messing aus den 30er Jahren.

 

Die Pistole gibt es in unterschiedlichen Varianten. Meine ist offenbar eine frühe Version der endgültigen Konzeption. Fast alle mir bekannten Pistolen sehen so aus wie meine, nur mit dem Unterschied, dass meiner Beschriftungen fehlen. Die späteren Pistolen haben am Sicherungshebel "Feuer" und "Sicher" stehen. Und unten auf dem Griffstück "M.33". Weitere Unterschiede gibt es bei der Form des seitlichen Schutzbleches. Mir ist auch eine Pistole der ersten Variante bekannt, die ein ganz anderes Aussehen hat. Zum Entladen musste man bei der ersten Variante seitlich einen Stift eindrücken um die Kartuschen nach rechts auszustoßen. 

 

Die Pistole funktioniert fast genauso wie die Wadie Pistole, die das System der ASS Pistole nach dem 2. Weltkrieg kopiert. Der große Unterschied ist, dass die ASS einen "Schlitten" hat an dessen Ende der Schlagbolzen fest verschraubt ist. Beim Betätigen vom Abzug läuft der ganze Schlitten nach hinten, bis er zur Schussabgabe frei gegeben wird. 

 

Ich muss ehrlich sagen, dass die ASS Pistole sehr gut in der Hand liegt und man mit ihr wirklich Freude hat. Sie ist sehr hochwertig und ganz aus Stahl gefertigt. Interessant ist, dass fast alle ASS Pistolen auf dem Markt in einem sehr guten Zustand sind. Andere Waffen dieser Zeit weisen massiven Rost auf. Und das obwohl die ASS Schwarzpulvermunition verschießt die dazu noch sehr korrosiv ist. Für mich lässt das auf eine gute Stahlqualität schließen.

Meiner Meinung nach ist bei dem Entwurf der ASS Pistole in relevanten Maße auf Elemente der Kobra Pistole zurück gegriffen worden.

 

Mit freundlicher Genehmigung von Hermann Historica

ASS Lacrimae Pistole 33/6. Diese Schreckschusspistole hat natürlich noch keine PTB Zulassung.
ASS Lacrimae Pistole 33/6. Diese Schreckschusspistole hat natürlich noch keine PTB Zulassung.
Rechte Seite der ASS 33/6 Lacriame Pistole. Das Schwarze im Auswurffenster ist der Magazinzubringer.
Rechte Seite der ASS 33/6 Lacriame Pistole. Das Schwarze im Auswurffenster ist der Magazinzubringer.
Eine Kartusche aus Nachkriegsfertigung ist in Feuerstellung vor dem Lauf.
Eine Kartusche aus Nachkriegsfertigung ist in Feuerstellung vor dem Lauf.
Der Stahllauf ist glatt und hat keine Sperre eingebaut. Ein Missbrauch ist aber ausgeschlossen, da das Vorladen eines Geschosses die Kartusche platzen lassen würde.
Der Stahllauf ist glatt und hat keine Sperre eingebaut. Ein Missbrauch ist aber ausgeschlossen, da das Vorladen eines Geschosses die Kartusche platzen lassen würde.

Hier zu sehen der eingeschraubte Schlagbolzen der Gaspistole von August Schüler aus Suhl.

Suhler Beschusszeichen auf der Unterseite vom Griffstück. Die Frage ist, wie damals ein "Beschuss" ohne Verschluss statt gefunden hat???
Suhler Beschusszeichen auf der Unterseite vom Griffstück. Die Frage ist, wie damals ein "Beschuss" ohne Verschluss statt gefunden hat???

Das Zerlegen:

 

Ich habe zum Zerlegen tatsächlich etwa 2 Stunden benötigt. Das lag vor allem daran, dass ich eine Schraube ausbohren musste. Das Zerlegen ist auch ganz anders als bei anderen Waffen.

 

Zu erst müssen alle Schrauben der Griffschalen und der Seiteplatten am Griffstück abgeschraubt werden. Dann kann die rechte Seitenplatte nach unten raus gezogen werden. Diese hält bis zu diesem Moment den Sicherungshebel an seiner Stelle. Wenn das passiert ist kann man den Sicherungshebel nach links raus schlagen. Auf der Unterseite des Sicherungshebels ist ein sehr kleiner Stift auf den man nun achten muss, sonst geht er verloren. Zusammen mit der Sicherung kann man nun die linke Seitenplatte raus nehmen. Nun muss man die Magazinfeder und den Zubringer raus nehmen.

Jetzt schlägt man den silbernen Stift in der Nähe der Mündung raus, der das "Verschlussstück" hält. Danach kann man den zweiten (schwarzen) Stift entnehmen. Das "Verschlussstück" kann man jetzt nach hinten abziehen, aber achtung: Wenn man jetzt an den Abzug kommt fliegt die "Verschlussfeder" nach vorne weg! Der Abzug wird gezogen und die Feder an der Mündung entnommen. Die Abzugsfeder wird zur Seite entnommen. Der Abzug nach hinten geschoben und nach links raus gedrückt 

Jetzt ist die Waffe komplett leer.

 

Das Wort "Verschluss" schreibe ich hier nur in Anführungszeichen, da die Waffe verschlusslos ist. Ich meine damit den "Schlitten" der um das Griffstück läuft und hinten mit dem Schlagbolzen versehen ist. Er lässt sich ähnlich wie ein Verschluss nach hinten ziehen.

 

 

Abgeschaubte Griffschale und Seitenplatte der August Schüler Pistole. Gut zu sehen die Magazinfeder und Abzugsmechanik. Der kleine Hebel der am Abzug nach oben ragt rastet am "Verschlussstück" ein und schiebt dieses zurück.
Abgeschaubte Griffschale und Seitenplatte der August Schüler Pistole. Gut zu sehen die Magazinfeder und Abzugsmechanik. Der kleine Hebel der am Abzug nach oben ragt rastet am "Verschlussstück" ein und schiebt dieses zurück.
Linke Waffenseite der ASS Pistole ohne Griffschalen
Linke Waffenseite der ASS Pistole ohne Griffschalen
Abzugsmechanik der Lacrimae Pistole
Abzugsmechanik der Lacrimae Pistole
Das "Verschlusstück" ist entfernt. Das Verbindungsstück mit "Verschlussfeder" sind noch unter dem Lauf drin.
Das "Verschlusstück" ist entfernt. Das Verbindungsstück mit "Verschlussfeder" sind noch unter dem Lauf drin.
Komplett zerlegte Lacrimae Pistole ASS 33/6
Komplett zerlegte Lacrimae Pistole ASS 33/6

Kleiner Schusstest der ASS/6 Gaspistole

Nachtrag von 10/2020:

Ich habe mit der HS4 und der ASS 33/6 einen kleinen Schusstest gemacht. Ich konnte diesmal leider nicht filmen und kann das hoffentlich mal nachholen. Die Ergebnisse davon waren bei beiden Waffen gleich. Ich habe mit jeder Waffe etwa 3-4 Schuss abgegeben, aus der unten abgebildeten Schachtel. Die Kartuschen sahen außen einwandfrei und nicht korrodiert aus. Das ist bei diesen Knallkartuschen eigentlich auch normal, nur die Gaskartuschen korrodieren stark. Bei jeder Waffe gab es einen Klemmer, wo die Kartusche im Magazin hängen blieb und nicht in die Abschussposition rutschen wollte. Das kann auf Schwarzpulver Ablagerungen der ersten Schüsse zurück zu führen sein, wahrscheinlicher ist aber, dass es die Wadie Kartuschen etwas zu lang für beide Pistolen sind. Die Zündhütchen wurden bei einigen Kartuschen hinten etwas aus den Aluhülsen raus gedrückt, was aber auf die Funktion der Waffen keinen Einfluss hatte. Es gab bei beiden Testserien jeweils einen Zündversager, wo die Kartusche, trotz mehrmaligem Abschlagen, nicht zündete. Es gab bei der ASS 33/6 einen Zündversager, der aufgrund der schwachen Schlagfederkraft zustande kam. Beim zweiten Abziehen löste sich der Schuss.

Der Knall war wesentlich schwächer, als bei anderen Knallkartuschen. Es war deutlich zu hören, dass sie mit Schwarzpulver gefüllt sind. Es gab bei jedem Schuss einen starken Funkenflug, wie ich ihn auch bei meiner Wadie Pistole bemerkt hatte. Einige Funken sind auch in Richtung meines Gesichts geflogen. Ich werde diese verschlusslosen Waffen ganz sicher nur noch mit einer hochwertigen Schutzbrille schießen.

Fazit:

Die drei Waffen sind alle technisch und geschichtlich sehr interessant und auf dem Schießstand sorgen sie meist für jede Menge Aufmerksamkeit. Aber es ist mir doch ein Rätsel, wie sich diese Waffen in den 50er Jahren so verbreiten konnten. Natürlich ist meine Munition alt und das Schussverhalten wäre damals, vor 70 Jahren, etwas anders gewesen. Aber auch damals war das Schießen damit sicher ebenfalls unangenehm und die Waffen unzuverlässig.

ASS 33/6 Gaspistole von August Schüler mit 8mm Lacrimae Platzpatronen von Wadie.
ASS 33/6 Gaspistole von August Schüler mit 8mm Lacrimae Platzpatronen von Wadie.

Ich will auch noch erwähnen, dass ich den Test der ASS 33/6 nicht mit zeitgenössischer Munition aus den 30er Jahren durchführen konnte. Alleine schon die von mir benutzen Knallkartuschen aus den 50er Jahren sind ziemlich selten. Man bekommt auf dem Sammlermarkt meist nur die Gaskartuschen, weil alle Besitzer diese eher aufgehoben und seltener verschossen haben. Da ich aber vor einigen Monaten ein paar der hier abgebildeten Schachteln bekommen habe, konnte ich ein paar für den Test entbehren. Aber von den zeitgenössischen Kartuschen, mit Messinghülse, besitze ich lediglich 2 Stück. Die sind zum Verschießen natürlich viel zu schade. Bekommen habe ich die beiden übrigens vom Betreiber von Gas-Waffen.de.