Bitte bedenkt bei den hier gezeigten Fotos, dass einige Waffen und einige Patronen nicht frei verkäuflich sind. Ich bin Inhaber recht umfangreicher waffenrechtlicher Erlaubnisse inkl. Sondergenehmigungen für verbotene Gegenstände.
-Alles begann mit der Scheintod Patrone
-In den 30er Jahren wurden Weichen gestellt
-Nach dem 2. Weltkrieg beginnt der Waffenbau mit Schreckschusswaffen und viel Zink
-Vorsatzgashülsen / Tränengashülsen
-Ab 1969 müssen Schreckschusswaffen von der PTB zugelassen werden
-Munition für Schreckschusswaffen
-Pyrotechnische Munition
-Verwendung von Schreckschusswaffen bei unterschiedlichen Organisationen
Kulturelle Bedeutung der Schreckschusswaffen:
Die Entwicklung und das Wissen über die Handhabung von Waffen stellen einen wesentlichen Teil der menschlichen Kultur dar. Dies wird z.B. an Volksweisheiten wie „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ deutlich oder der Stellung des Militärs und der Polizei in der Gesellschaft. Dies gilt aber nicht nur für die wichtigeren Waffen der Geschichte wie Armeewaffen, sondern auch für die Notwehrwaffen des Bürgers. Seit über 100 Jahren bieten Gas- Signal- und Schreckschusswaffen eine Möglichkeit sich zu bewaffnen um sich und sein Eigentum zu schützen. Bei den meisten ernsthaften Waffensammlern werden diese Waffen jedoch kaum beachtet und führen nicht nur ein Schattendasein, sondern es droht viel Wissen verloren zu gehen. In den letzten Jahrzehnten folgten Bauartzulassungen für Waffen und Munition, während zeitgleich das Waffengesetz immer strenger wurde (z.B. Einführung des kleinen Waffenschein). Die Folge ist, dass viele Besitzer ihre Schreckschusswaffen samt Munition zur Vernichtung abgeben, weil sie die Hürden des Waffengesetzes scheuen. Auch für Waffenhändler lohnt sich der Verkauf selten. Bei Berechtigten (z.B. Waffensachverständigen oder Museen) stoßen diese Waffen (und natürlich auch die dazugehörige Munition) kaum auf Interesse. Noch dazu ist die rechtliche Situation bei Kartuschenmunition viel komplizierter als die Meisten denken. Die wenigen Sammler die es in diesem Bereich gibt müssen sich meist auf das konzentrieren was frei verkäuflich ist. Und obwohl die Geschichte von Schreckschusswaffen kaum beachtet wird halte ich Deutschland für das bedeutendste Land in diesem Bereich. Hier wurden die ersten Waffen dieser Art entwickelt. Und auch jetzt fertigen viele deutsche Firmen diese Waffen für den ganzen Weltmarkt.
Geschichtliche Entwicklung der Schreckschusswaffen in Deutschland
Bereits bevor in Deutschland der Besitz und das Führen von scharfen Waffen rechtlich eingeschränkt wurde erfreuten sich Schreckschusswaffen einer großen Beliebtheit. Bereits im Katalog des Versandhändlers Stukenbrok (von 1912 und 1923) werden die „Scheintod“ „Perplex“ und „Entlarvt“ Waffen beworben.
Manche Menschen konnten sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, eine scharfe Waffe bei sich zu haben und evtl. einen Angreifer schwer zu verletzen oder gar damit zu töten. Mit diesen Waffen konnte man bereits Blendpatronen, Gaspatronen, Schrotpatronen, Leuchtsterne und Kugelpatronen abschießen. Heutzutage sind die Möglichkeiten der Schreckschusswaffen kaum geringer. Meist wird eine Schreckschusswaffe gekauft um sich im Fall der Fälle gegen Angriffe verteidigen zu können. Andere interessieren sich für Waffentechnik und ihnen ist die Möglichkeit, eine scharfe Waffe zu kaufen, durch das Fehlen einer WBK, verwehrt. Des Weiteren gibt es Bergsteiger oder Weinbauern, für die die Möglichkeit des Abschießens von pyrotechnischer Muniton für Notsignale oder dem Vertreiben von Vögeln den Anreiz gibt sich eine Schreckschusswaffe zu kaufen.
Wenn man die Geschichte der Schreckschusswaffen betrachten will, kann man sie in vier zeitliche Abschnitte einteilen:
-Waffen von 1905 bis 1945 (Erfindung der Scheintodpatrone bis Ende des 2. Weltkriegs)
-Waffen von 1945 bis 1969 (Einführung der PTB-Zulassungspflicht)
-Waffen von 1969 bis 2020 (Zeit der PTB-Zulassungspflicht)
-Waffen ab 2020 (Zeit der PTB-Zulassungspflicht UND der EU-Schreckschusswaffen)
1905 wurden von der Firma Deutsche Waffen & Fahrrad Fabriken Burgsmüller & Söhne (Kreiensen) die „Scheintod“ Patrone und Pistole auf den Markt gebracht. Am 04.11.1905 wurde der Scheintodpatrone das Patent 172153 erteilt darin heißt es: "mit Pfeffer, am besten spanischen Pfeffer, in Staubform geladen. Dieser Ladung wird eine gewisse Menge eines aufflammbaren Stoffes ... beigement, das genügt den Pfeffer vollständig zu vergasen...aus dem im Pfeffer enthaltenen Capsizin. Das Capsizin besitzt die Eigenschaft die Schleinhäute sofort zu reizen". Wenn man bedenkt, dass heute das Capsaizin aus Chilli immer noch für so etwas verwendet wird war das damals ganz schön modern.
Mit dieser Waffe sollte dem gefährdeten Forstbeamten, Radfahrer oder der gut bürgerliche Dame die Möglichkeit gegeben werden „Strolche“ und „Wegelagerer“ abzuwehren, ohne gleich tödliche Verletzungen beim Angreifer befürchten zu müssen. Diese Waffen wurden beispielsweise von Versandhändlern wie Stukenbrok vertrieben. Es wurden Patronen im Kaliber 9mm, 10mm und .410 verschossen. In diesen Patronen befand sich zunächst Senf- oder Pfefferpulver und vermutlich bereits auch CN Reizgas. Von diesen Waffen gab es später Revolver und Pistolen. Aber auch unkonventionelle Konstruktionen wie z.B. eine dreiläufige Repetierpistolen der Firma Pieper und Scheintod. Hier waren die Läufe untereinander angeordnet und konnten zum Laden abgekippt werden.
Ebenso erfolgreich war die „Entlarvt Pistole". Hierbei handelte es sich um einläufige Pistolen bei denen Blendpatronen verschossen wurden. Die Entlarvt Pistolen war nicht für Gaspatronen eingerichtet, sondern für Blendpatronen, mit Blitzpulver. Zusätzlich wurden auch Schrot- und Kugelmunition angeboten.
Die in den 70er Jahren, im benachbarten Ausland (hauptsächlich Frankreich), beliebten Grenaille Waffen waren damals also keine neue Erfindung, sondern man griff lediglich die Idee der Entlarvt Pistolen neu auf.
Die "Lito-Pistole" ist eine der seltensten und interessantesten Scheintod Pistolen überhaupt. Sie verschießt die damals übliche .410er Munition. Unter dem Lauf hat sie eine elektrische Lampe montiert, was vor dem 2. Weltkrieg wegweisend und revolutionär war. Beachtet wurde diese Erfindung damals aber kaum. Etwas Vergleichbares aus dieser Zeit hatten auch die Personenschützer von Adolf Hitler (HIER bei min. 8:41 zu sehen)
Im Jahr 1928 wurde durch das neue Waffengesetz der Weimarer Republik das Führen von scharfen Waffen unter Waffenscheinpflicht gestellt, wodurch sich die Schreckschusswaffen weiter verbreiteten und vor allem auch weiter entwickelten. Bis dahin wurden hauptsächlich Schreckschussrevolver oder Einzelladerpistolen (auch mit zwei oder drei Läufen) im Kaliber .410 hergestellt, jetzt begann die Zeit der 6mm und .320 Waffen.
Zwischen 1928 und 1945 war EM-GE der wichtigste Hersteller von Schreckschusswaffen. Wissen sollte man dabei aber, dass damals Gaskartuschen unüblich waren (bis auf .410 "Scheintod" und "Knock-Out"). EM-GE (Moritz Gerstenberger - Zella-Mehlis) fertigte für ihre 6mm und .320 Waffe als Erste die Gasvorsatzhülsen, die in die Mündung geschoben wurden (Foto links: EM-GE 2 Pistole aus Stahl). Auch für die EM-GE Modell 5 unten in .320 gab es Gasvorsatzhülsen. Vermutlich waren diese bereits mit CN-Reizstoff gefüllt und nicht mehr mit Pfefferpulver, wie bei der Scheintod Patrone.
Man muss dazu sagen, dass damals meist einfach ein kleiner senkrechter Stift im Lauf das Verschießen scharfer Munition verhinderte. Diese Bauweise rief natürlich auch "Bastler" auf den Plan. Damals wurde weitgehend die Kaliber der scharfen Waffen bebehalten und durch das leidige "Aufbohren" konnte damals wirklich, sehr einfach, scharf mit diesen Waffen geschossen werden. Da die meisten Waffen damals auch noch aus Stahl gefertigt wurden, hielten sie den Gasdruck der scharfen Patronen problemlos aus. Mir sind aber bereits Scheintod Pistolen aus den 20er Jahren bekannt, die in Teilen aus Zink gefertigt worden sind. Erst in den 50er Jahren wurde aber die große Mehrheit der Schreckschusswaffen aus Zink gefertigt.
Die Scheintod Waffen warben mit dem Wort "Betäubung", enthalten war darin aber lediglich Pfefferpulver, der eine reizende Wirkung hat. EM-GE wollte offenbar nicht mit diesem missverständlichen Wort werben und stellte das in ihrem Katalog klar. Bis heute glauben viele, dass das in Fachgeschäften erhältliche "KO-Gas" betäubt, in Wirklichkeit ist darin nur normales Tränengas (CN oder CS).
Anfang der 30er Jahren wurden dann von dem Walther Mitarbeiter Walther Riem die Perfecta Pistole entwickelt (später Mayer und Riem KG) und etwa zeitgleich die Weinbergpistole. Beides sind Meilensteine in der Waffenentwicklung. Die Produktion der Perfecta Pistole wurde inzwischen durch Umarex eingestellt, die Weinbergpistole gibt es immer noch von Record zu kaufen. Bei beiden Waffen handelt es ich um Pistolen im Kaliber 6mm Flobert Knall. Es ist eine Weiterentwicklung der damals sehr beliebten 6mm Flobert Kugelpatrone. Es wurde lediglich das Geschoss weggelassen und die Hülse zugefaltet. Die Perfecta besitzt ein Stangenmagazin im Griffstück, bei dem die Patronen senkrecht übereinander gegen eine Feder geladen werden. Nach dem Abschuss wird die Hülse nach oben zu einer Öffnung gedrückt und beim nächsten Schuss nach oben ausgeworfen. Der Ausschuss erfolgt meist nach vorne, durch einen leicht abgeknickten Gaslauf. Bereits kurz nach dem zweiten Weltkrieg war 6mm CN Gasmunition verfügbar, die mit dieser Waffe verschossen werden konnte.
Die Weinbergpistole ist dagegen ein Einzellader. Sie ist mit einem und mit zwei Läufen verfügbar. Nach dem Spannen des Hahnes werden die 6mm Patronen in das Patronenlager eingelegt. Da mit dieser Waffe aber max. zwei Schuss abgegeben werden konnten und sie erst gespannt werden musste wurde sie meist, wie der Name schon sagt, zu Vertreiben von Vögeln durch Landwirte benutzt. Hierzu wurden die integrierten Abschussbecher mit Pyroknall- oder Pfeif- oder Ratterpatronen geladen.
Fast ebenso wichtig, wie die Weinbergpistole, war die Entwicklung der Walther UP1. Waffen dieser Bauweise, mit einem Stangenmagazin unter dem Lauf, werden ebenfalls bis heute hergestellt. Soweit mir bekannt ist, wurde dieses Prinzip von EM-GE entwickelt. Bereits vor dem 2. Weltkrieg verkauften sie das EM-GE Modell 2. EM-GE gibt es leider seit einigen Jahren nicht mehr. Der zweite sehr große Hersteller dieser Waffen war Röhm mit der RG3 in einer unendlichen Vielzahl von Varianten. Grade zu beginn der Waffenproduktion, Anfang der 50er Jahre, wurden die Rechte für die RG3 an viele Firmen verkauft. Später wurde ihr auch die PTB-Zulassung erteilt und sie wird bis heute, als "Röhm RG3" von Umarex produziert.
Bei diesen Waffen wird das Stangenmagazin von vorne unter dem Lauf eingeschoben. Die Patronen zeigen dabei nach oben und werden vom Schlagstück von unten gezündet. Der Gasstrahl wird um 90 Grad nach vorne umgeleitet. Ein Funktionsvideo eines Schnittmodells findet Ihr HIER.
Für die Pistolen Walther UP1, EM-GE 6d und Röhm RG3s hatten sich die Waffentechniker eine besondere Möglichkeit ausgedacht um CN Gas zu verschießen. Es wurde eine etwa ca. 4 cm lange Hülse von vorne in den Lauf geschoben. Diese wurde dann durch den Gasdruck der 6mm Platzpatrone nach vorne aus dem Lauf gepresst und verteilte den Reizstoff. Hierbei konnte sehr viel Reizstoff verschossen werden (etwa 200-300mg). Diese Gashülsen gab es erstmal für die EM-GE 2a.
Die Firma ME hat für Ihre ME 70 und ME80 Revolver Reizstoffhülsen fertigen lassen, die in den Lauf geschraubt wurden. Diese waren aus Kunststoff.
Für EM-GE Waffen und den Valor Revolver gab es auch einen Aufsatz der mit 500mg Reizstoff gefüllt war und aussieht wie ein Abschussbecher für Signalmunition.
In den 30er Jahren wurde von August Schüler in Suhl ("ASS" Stempel auf der Waffe) die Lacrimae Pistole Modell 33 entwickelt. Diese Pistole war die erste Selbstladepistole für Reizstoffmunition. Sie verfügte über ein völlig neues System, da sie „Verschlusslos“ war. Die Patrone ist stabil gebaut und wird von keinem Patronenlager umschlossen. Sie liegt offen vor dem Lauf. Beim Schuss entweicht ein kleiner Teil der Gase links neben die Hülse und drückt diese nach rechts aus der Waffe. Die nächste Patrone wird durch das fest eingebaute Magazin von unten nachgeführt. Die Munition aus Vorkriegsfertigung wurde aus Messing gefertigt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde aus Aluminium hergestellt. Gaskartuschen wurden dann auch Demimors oder Lacrimose gennant, was so viel bedeutet, wie halbtot und Tränen. Das Wort halbtot leitet sich von der alten Scheintodpistole ab. Das Besondere an den Kartuschen ist, dass sie weder über einen Rand noch über eine Rille für eine Auszieherkralle verfügen.
Nach dem selben Prinzip wurden Anfang der 50er Jahre die Wadie Automatik Pistole und die HS4 (Herbert Schmidt, Ostheim) entwickelt. Die Pistolen erlangten auch eine gewisse Verbreitung, bis sie 1969 waffenbesitzkartenpflichtig wurden.
Für die genannten Waffen wurde eine sehr große Auswahl an Munition hergestellt. Es gab z.B. Parfumpatronen (eine Art Raumspray) mit Tannen- oder 4711 Duft, Rauch-Gaspatronen, Blitzlicht-Starkknall-Gaspatronen, Gaspatronen, Leuchtsterne usw.
Nach ich meine verschlusslosen Pistolen ein paar Mal schießen konnte, ist mir auch klar warum es diese nur von 1933 bis 1969 am Markt gab. Sie sind nicht sonderlich zuverlässig und das Schießen ist sehr unangnehm.
Im Behördendeutsch heißt diese Genehmigung für die Hersteller. "Baumusterprüfverfahren", ich nenne sie meist "Bauartzulassung". Hierdurch sollten einheitliche Regelungen geschaffen werden, wie ein Verschießen scharfer Munition verhindert werden kann. Die aktuelle Liste der PTB Zulassungsnummern kannst Du HIER runterladen.
Spätestens zum 01.06.1976 mussten alle Schreckschusswaffen ohne PTB Stempel angemeldet und in eine WBK eingetragen werden. In diesem Fall wurde dem Besitzer eine WBK für diese Waffe ohne Bedürfnisprüfung ausgestellt. Wer nach der Übergangsregelung noch eine derartige Waffe besitzt macht sich wegen unerlaubtem Waffenbesitz strafbar. Schreckschusswaffen haben eine größere Deliktrelevanz bei Straftaten, als Luftdruckwaffen. Daher wurden mit dem Erlass des bundesheitlichen WaffG (1972 und 1976) nur für Luftdruckwaffen aus Altbesitz ein Privileg eingeführt. Luftdruckwaffen ohne das neue Prüfzeichen "F" im Fünfeck dürfen weiterhin ohne Erlaubnis besessen werden. Schreckschusswaffen ohne das PTB-Zeichen mussten aber angemeldet werden.
Die Laufsperre waren damals meist ein Stahlblatt, das von oben, der Länge nach, in den Lauf ragte. Oder der Lauf war an der Mündung verschlossen und der Ausschuss befand sich als „Nasenlöcher“ oben auf dem Lauf. Der Lauf war meist aus Stahl gefertigt.
Nach und nach wurden die Anforderungen an die Schreckschusswaffen gehoben, um ein Aufbohren oder ähnliches zu verhindern. So wurden dann die Läufe meist wie Griffstück und Verschluss und Trommel aus Zink gefertigt und immer weniger Stahlläufe verwendet. Selbst die Zinkläufe bzw. Patronenlager müssen heute Sollbruchstellen aufweisen. Da die Laufsperre aus gehärtetem Stahl ist soll Lauf bei einem Aufbohrversuch zerbrechen. Die Laufsperren entwickelten sich ebenfalls immer weiter. Oft bestehen die Gasläufe mit einer neueren Zulassung außen aus Zink und haben innen einen dünnen Futterlauf aus Stahl, der die Reinigung erleichtern soll. In dem Lauf befinden sich dann an den Seiten Verdickungen und Kreuz – oder Sternförmige Laufsperren.
Der Mercury Revolver beispielsweise besitzt eine spiralförmige Laufsperre, die einen Blick durch den Lauf unmöglich macht. Mittlerweile sind die Gasläufe soweit „verbaut“, dass sie die Reichweite von Gasmunition negativ beeinflussen. Des Weiteren muss der Lauf versetzt zum Patronenlager liegen, nach neuesten PTB-Vorschriften. Durch diese Bauweise würde eine Kugelpatrone im Patronenlager nicht durch den Lauf geschossen werden können.
Nach den heutigen PTB Vorschriften müssen Lauf und Griffstück fest miteinander verbunden sein. Die Pistole Erma KGP690 mit der PTB-Nummer 209 ist ein sehr eindrückliches Beispiel davon, dass dies in den 70 Jahren noch nicht so streng gehandhabt wurde. Diese Pistole ist eine Kopie der Pistole 08 und lässt sich in fast gleiche Teile zerlegen wie das Original. Bei dem Beretta Nachbau Nuova Molgora ist der lauf ebenfalls beweglich gelagert und wird nur durch zwei kleine, eingeschlagene, Stifte am Griffstück gehalten.
In dieser Zeit verbreiteten sich auch die „Grenaillen“ Waffen. Diese waren im benachbarten Ausland (vor allem Frankreich) beliebt. In Deutschland bekamen sie natürlich keine Zulassung durch die PTB. Bei diesen Waffen wurden in die Kartuschen kleine Schrotkugeln geladen. Die Waffen verfügten meist über sehr kleine Laufsperren, die die Schrote nicht behinderten. Ansonsten waren die Waffen baugleich mit den in Deutschland erhältlichen Schreckschusswaffen. Da diese Munition, vor allem in den Kalibern 8mm, 9mm und .35 Knall, auch in die deutschen Waffen passte wurden Greanaille Patronen, bei der Waffenrechtsänderung 2003, zu den verbotenen Gegenständen erklärt. Somit sind sie auch für Munitionssammler nicht mehr erhältlich. Man sollte aber auch bedenken, dass ein Verschießen aus einer PTB zugelassenen Waffe mit den erforderlichen Laufsperren zu schweren Beschädigungen an der Waffe führen wird.
Bei der Entwicklung der Schreckschusswaffen hat sich viel in den 60er Jahren getan. Anfang der 60er Jahre wurde die Produktion von Schreckschusswaffen im Kaliber 6,35mm eingestellt und das neue Kaliber 8mm entwickelt. 1969 wurde die Pflicht zur Bauartzulassung durch die PTB erlassen. Die bedeutendsten Waffen dieser Jahre waren die SM 110, Reck P6 und HS 5.
Diese Pistolen wurden alle als scharfe Waffen (6,35mm) und als Schreckschusswaffen mit und ohne PTB Zulassung hergestellt. In den Anfangsjahren der PTB-Pflicht (1969-1971) wurde auch noch oft Änderungen an der Bauart vorgenommen ohne die Zulassungsnummer zu ändern. Bei der Perfecta G5 wurde z.B. im Laufe der Jahre ein Mündungsgewinde angebracht und bei einigen der kleinen 8mm Pistolen wurde der Aufbau der Laufsperre geändert, da die zuerst verbaute Sperre zu leicht entfernt werden konnten.
(GPDA8 in 8mm und ME69 in 9mm PAK)
Das beliebteste Kaliber bei den Pistolen in den 70er bis 90er Jahren war 8mm. Waffen in diesem Kaliber bekamen jedoch ab 1994 keine Zulassung mehr durch die PTB. In die Magazine passt nämlich scharfe 6,35mm Browning Munition. Im Patronenlager liegt sie jedoch sehr locker. Falls es jemandem gelingen sollte eine Waffe aufzubohren kann er diese Munition dennoch laden und damit schießen. Je nach Modell ist es jedoch sehr fraglich wie viel Schuss die Waffe aushält ohne zu zerbrechen. 1985 wurde von der CIP der max. zulässige Gasdruck der 8mm Munition von 600 auf 450 Bar reduziert. Das führt dazu, dass alte Waffen mit neuer Munition nicht mehr störungsfrei funktionieren. Das Kaliber 8mm ist im Ausland bis heute sehr weit verbreitet und wird dort auch heute noch hergestellt.
Der „Nachfolger“ der 8mm ist .315 geworden. Gelegentlich wird es auch 8mm kurz genannt. Hierbei handelt es sich im Prinzip um eine verkürzte 8mm. So wurde es erreicht, dass keine scharfe Munition mehr geladen werden kann. In 8mm Magazine passen nämlich scharfe 6,35mm Browning Patronen. Die Waffen in .315 wurden hauptsächlich in den 90er Jahren verkauft, verschwinden aber immer mehr vom Markt, da sie meist nicht sehr zuverlässig funktionieren. Meist sind die Zuführrampen zu steil für derart kurze Patronen. Die kleinen Patronen wurden von den Käufern als nicht sehr wirksam angesehen. Es sollte aber angemerkt werden, dass sie einen sehr hohen Gasdruck haben (bis 450 Bar), und sie dieselbe Menge CS Gas enthalten wie die 9mm Patronen.
Dem Kaliber .35, wird ebenfalls keine Zulassung mehr erteilt, da scharfe Munition (9mm kurz) in das Magazin passt. Die Waffen, die für dieses Kaliber gebaut wurden sind sehr wenige und erreichen bei Sammlern zum Teil sehr hohe Preise. Es gab die von der Firma Geco (Gustav Geschow & Co.) gefertigte P 35-1 (PTB 456), was ein Nachbau der Sig Sauer P225 war, und die P35-2 (PTB 497), was der einzige Schreckschusswaffen Nachbau der Walther P5 ist. Die Firma Erma baute als Nachbau der Walther P38 die EGP881 (Erma Gas Pistole mit der PTB 477) und Röhm die RG735 (mit der PTB 482), welche kein scharfes Vorbild hat. Mehr Waffen sind in diesem Kaliber nicht auf den Markt gekommen.
Heute werden fast alle Pistolen in 9mm P.A.K. (Pistole Automatik Knall) gefertigt. Es gibt sogar Modelle, wie die Reck Protector (oder die fast baugleiche Perfecta-Automatik), die von unterschiedlichen Herstellern in den Kalibern 8mm, .315 und 9mm P.A. hergestellt wurde und immer noch hergestellt werden. Diese Waffe eignet sich jedoch durch ihren Single Action Abzug, das kleine Magazin und ihre meist geringe Zuverlässigkeit nicht zur Selbstverteidigung oder für das Silvester Schießen. Meist wird sie wegen ihres geringen Preises gekauft.
(AKAH Hubertus Multikaliber-Revolver und Röhm RG89)
Bei den Revolvern dominiert schon lange das Kaliber 9mm Rand (oder auch 380. genannt) Es ist mit einem max. zulässigen Gasdruck von 250 Bar das „schwächste“ Kaliber. Es ist aber dennoch absolut vollwertig und tauglich zur Selbstverteidigung und zum Verschießen von Pyrotechnischer Munition. Ein Teil des geringen Gasdrucks ist aber vermutlich darauf zurück zu führen, dass die CIP Messläufe für 9mmR Kartuschen einen relativ breiten simulierten "Trommelspalt" haben und daher automatisch bei der Messung geringere Werte erzeugen. Bei Versuchen hinsichtlich der wundballistischen Wirkung von Kartuschenmunition hat 9mmR Munition die schwersten Verletzungen erzeugt. Dies ist auf die relativ hohe Menge Treibladungspulver zurück zu führen. Viebetäubungs Patronen (Blitz und Kerner) sind von ihrem Abmessungen her identisch mit der 9mmR Munition, erzeugen jedoch einen wesentlich höheren Gasdruck.
Recht wenig Verbreitung hatte das Kaliber .45 short. Die entwickelten Revolver werden auch nicht mehr hergestellt. Es sind auf dem Sammlermarkt aber noch Einzelstücke zu bekommen.
Das Kaliber .22 Knall stellt geschichtlich eine Besonderheit dar. Es entspricht dem scharfen .22 lang. Die fast baugleiche Patrone .22 kurz ist eine der ältesten Patronen überhaupt. Von Lefaucheux Stiftfeuer Patronen und Papierpatronen natürlich abgesehen. Es war früher sehr verbreitet und bekommt heute keine Zulassung mehr für Revolver, in denen es fast ausschließlich Verwendung fand. In diese Waffen könne ggf. .22 kurz Kugelpatronen oder 6mm Flobert Kugel- und Schrotpatronen („Doppelschrot“ sind zu lang) geladen werden. Eine Ausnahme stellt die RG600 von Röhm dar. Da bei dieser Waffe die Patronen senkrecht im Magazin sitzen und der Gasstrahl wie bei der Walther UP1 um 90 Grad umgelenkt wird. Bei dieser Waffe ist also ein verschießen scharfer .22 kurz oder 6mm Flobert Patronen ausgeschlossen. Ein Problem der .22 Knallkartuschen ist, dass sie mit Schwarzpulver geladen sind. Und das sieht man den gebrauchten Sammlerwaffen meist deutlich an. Sie weisen Verfärbungen und Verkrustungen auf. Schreckschusswaffen werden allgemein kaum gepflegt und gereinigt, wenn dann noch damit Schwarzpulverkartuschen verschossen werden, schmälert das den Wiederverkaufswert enorm.
(Foto: Zerlegter Xythos Revolver)
2mm Berloque ist ein für Sammler sehr interessantes Kaliber. Es geht sogar auf das Jahr 1905 zurück. Damals wurde von dem Uhrmacher Göbharter die sehr kleine Berloque Pistole entworfen. Der östereichische Büchsenmacher Pfannl, der die bekannte Kolibri Pistole fertigte, stellte auch Berloque Pistolen her. Diese Berlogue besitzt einen Kipplauf und muss vor jedem Schuss neu geladen und gespannt werden. Ein kleiner Ausstoßer für die abgeschossenen Hülsen wird jeder Waffe Mitgeliefert. Bei den meisten Modellen ist an der Mündung ein Gewinde für einen Abschussbecher vorhanden. Mit diesem kann man dann 9mm Signalsterne verschießen. Diese erreichen eine beachtliche Höhe. Die Pistole wird auch in einer sehr schönen Holzkiste samt Zubehör geliefert. Eine Weitere Waffe für dieses Kaliber ist der Xythos Revolver. Er hat sechs Schuss und misst gerade mal 40 mm. Er ist sogar viel aufwendiger gearbeitet als die Berloque Pistole und besitzt auch einen 9mm Abschussbecher. Man sollte die Munition der beiden jedoch nicht austauschen, da der Revolver kürzere Zündstifte hat als die Pistole. Die Revolvermunition wird in einer eckigen kleinen Schachtel verkauft und Die für die Pistole in einem kleinen Zylinderförmigen Röhrchen. Auch die 2mm Berloque Waffen müssen, sofern sie ein Gewinde für den Abschussbecher haben, den PTB-Stempel aufweisen. Sollte das Gewinde fehlen unterliegen sie nicht der Zulassungspflicht, da gem. WaffG Anlage 1, 1.1. das Gesetzesmerkmal „Signalgebung“ entfällt. Einer Beschusspflicht unterliegen sie nicht.
Nachtrag vom 17.01.2018: Zur rechtlichen Einstufung von 2mm Waffen ohne PTB Stempel gibt es unterschiedliche Meinungen. Das BKA vertritt die Meinung, dass sie in jedem Fall WBK pflichtig sind! Eine andere Rechtsmeinung ist, dass sie nur WBK pflichtig sind wenn ein Mündungsgewinde für einen Abschussbecher vorhanden ist.
Das Kaliber .320 (7mm) geht auf das ehemalige scharfe Kaliber der selben Bezeichnung zurück. Revolver und Pistolen in diesem Kaliber wurden nur kurz und in geringer Stückzahl hergestellt. Die Kartuschen gab es in einer langen und einer kurzen Variante. Die Gaskartuschen waren mit einer lackierten Pappscheibe verschlossen und die Knallkartuschen meist zugefaltet (es gab auch Gaskartuschen mit weißem Lackverschluss). .320 Kartuschen sind heute eher selten anzutreffen. Lediglich in Italien werden immer noch wenige Waffen und entsprechende Munition in .320 hergestellt. PTB zugelassene Waffen gab es nur in .320 kurz, was bedeutet, dass .320 lang Kartuschen erlaubnispflichtig sind.
Heute ist die PTB mit den Zulassungsnummer bei über 1000 angekommen. Türkische Hersteller wie Zoraki und Ekol haben es geschafft am deutschen Markt Fuß zu fassen und die PTB Voraussetzungen zu erfüllen. Umarex fertigt mit der Walther PK380 (PTB 921) eine Pistole mit Stahlverschluss und die kleine Firma MWM Gillmann aus München hat ausländischer Waffen auf den Markt gebracht, wie z.B. den Steel Cop Ganzstahl Revolver. G.S.G. hat sogar die MP40 und das Stg44 raus gebracht. Toll war auch der Korth Sky Marshall, der leider nur kurz gefertigt wurde.
Im Jahr 2019 hat die EU Kommission die Richtlinie 2019/69 erlassen, welche weitreichende Konsequenzen haben wird. Aktuell befinden wir uns in den ersten Phasen der Umsetzung davon. Die Folge ist, dass Schreckschusswaffen nicht mehr zwangsweise eine PTB-Zulassung benötigen. Schreckschusswaffen müssen nun der EU Richtlinie 2019/69 entsprechen und von einem ausländischen Prüfinstitut genehmigt worden sein. Sobald ein Land die Richtlinie umgesetzt hat und die jeweilige Waffe durch das nationale Prüfverfahren gegangen ist, kann man sie ohne Erlaubnis nach Deutschland einführen und hier Besitzen. Meine Berichte dazu findet Ihr HIER, HIER und HIER.
Bei Kartuschenmunition, und darum handelt es sich gemäß dem Waffengesetz, kann man die Art der Munition meist an der Farbe der Verschlusskappe erkennen. Kartuschenmunition ist jede Munition, die kein Geschoss enthält. Bei zugefalteter Munition muss man auf die Bodenprägung achten, die den Inhalt der Patrone erklärt. Zugefaltete Patronen mit einem Tropfen Wachs auf der Spitze sind meist CS oder Pfeffer Patronen. Es ist gelegentlich auch schon Munition aufgetaucht, bei der die Bodenprägung und die Farbe der Verschlusskappen nicht übereingestimmt hat. Dann hat immer die Farbe der Kappe den richtigen Inhalt angegeben. Normalerweise wird für die Herstellung der Hülsen Messing oder Kupfer verwendet. Selten ist auch Stahl zu finden. Es ist auch möglich, dass die Patronen zusätzlich noch vernickelt werden. Hierdurch wird die Oberfläche silbern. Eine Lackschicht, wie auf vielen scharfen Patronen, um die Munition wasserdicht zu machen, ist auf Kartuschenmunition nicht zu finden. Sie sind aber trotzdem ausreichend wasserdicht. Mann kann diese Munition meist auch ein paar Tage in Wasser legen und sie funktioniert immer noch.
Knallkartuschen: Die meisten "Platzpatronen" haben heutzutage eine Ladung aus Nitrocellulose-Pulver.
Es wurde aber immer wieder auch Mischungen an Nitro- und Schwarzpulver oder Nitro- und Blitzpulver verwendet. Früher wurde meist einfaches Schwarzpulver verwendet, dies führt aber zu einer starken Verschmutzung der Waffen. Der Anteil an Schwarzpulver sorgte hauptsächlich für eine starkes Mündungsfeuer und eine Rauchwolke vor der Mündung. Problematisch ist, dass Schwarzpulver zu nicht Öl-löslichen Rückständen in der Waffe führt. Bei den Kalibern .22 und .45 sind alle Patronen nur mit einer Schwarzpulverladung versehen. Bei dem Kaliber 9mmR gibt es beides. Bei der Pistole HW 94 von Weihrauch die im Revolverkaliber 9mm hergestellt wird dürfen lediglich Nitropatronen verschossen werden, da es sonst einen Feuerball verursacht, der oben aus dem sich öffnenden Verschluss heraus kommt. Platzpatronen sind meist an der grünen Verschlusskappe zu erkennen. Auf dem Hülsenboden steht meinst die Bezeichnung „Knall“ oder „Blanc“.
Früher gab es 8mm Platzpatronen mit weißem Wachs- oder Kunstoffverschluss. Diese alten Patronen sind auf dem Sammlermarkt sehr begehrt und teuer, da sie den höheren zulässigen Gasruck von 600 Bar max. aufweisen und Pistolen von vor 1985 damit repetieren können. Neu auf dem Markt ist die 9mm Knall Munition des tschechischen Herstellers Snail. Diese Munition besitzt eine grüne Kunststoff Hülse. Die sogenannte Stop-Blitz Munition von Walther besitzt eine goldene Kunststoffkappe und ist ebenfalls zu den Knallkartuschen zu zählen.
(Bist Du etwa bei der Farbenpracht verwirrt?
CN: Chloracetophenon ist ebenso wie CS eine kristalline Verbindung die jedoch bereits bei 56 Grad Celsius schmilzt. Dieser Reizstoff wurde von dem deutschen Chemiker Graebe 1871 entwickelt. Er ist nicht wasserlöslich, wodurch er noch heute, bei der Polizei, in Wasserwerfern beigemischt eingesetzt wird. CN wirkt reizend auf die Schleimhäute, jedoch nicht auf die normale Haut. Bei Munition die schon länger lagert (vor allem Munition mit Wachsverschluss) kann man beim Öffnen den Geruch des Reizstoffes wahrnehmen und evtl. ein kribbeln in der Nase spüren. Zunächst im Kaliber 6,35mm Browning, wo die Patronen ein rotes Wachsgeschoss aufgesetzt hatten. Als das Kaliber 8mm auf den Markt kam wurden die Patronen mit einem hülsenlangen roten Wachsverschluss bestückt, und dann später durch rosa, hell-, und dunkelblaue Kunststoffverschlüsse abgelöst. Bei den 9mm und .320 Revolverpatronen dieser Zeit wurde meist ein rot lackierter Korkverschluss verwendet. Die Patronen 6mm und .22 haben meist einen roten oder weißen Wachsverschluss. CN wurde auch für Gasvorsatzhülsen verwendet. Bei den 6mm Pistolen von Walther, Röhm und EM-GE konnte man bei einigen Modellen Hülsen in den Lauf drücken, die mit CN gefüllt waren. Der Druck der Knallkartusche reichte aus, um den Reizstoff aus dem Lauf zu schleudern. Hierdurch wurden auch die kleinen 6mm Pistolen zu wirkungsvollen Waffen. Die Reizstoffmenge reichte hierbei von 100-300mg CN. Wadie fertigte für seine Revolver Abschussbecher die mit 500mg CN gefüllt waren und Wadie fertigte für ME Revolver Vorsatzhülsen, die in den Lauf der Revolver MR 70 GS und ME 80 GT/S geschraubt wurden mit 250mg.
Hier seht Ihr die HS4 mit 50 Jahre alter CN Gasmunition. Bedenkt, dass diese Munition mit Schwarzpulver geladen ist.
CS: Oder auch Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril, ist nach seinen Erfinder Corson und Stoughton benannt. Dieser Reizstoff verdrängt schon seit 1978, den als weniger wirksam geltenden, Reizstoff CN bei der Verwendung ist Gaskartuschen. CS wurde 1928 in den USA entwickelt und wurde hauptsächlich militärisch eingesetzt. Durch seinen Schmelzpunkt von etwa 93 Grad Celsius eignet er sich hervorragend zum Einsatz in Tränengasgranaten. Heutzutage wird er jedoch hauptsächlich in Tränengas Spraydosen, oder eben für Gasmunition verwendet. Seine Wirkung besteht auf einer Reizung der Augen und der Atmungsorgane. Oft kommt es auch zu einer Wirkung über die Haut. Es sind sogar Todesfälle bekannt geworden, hier war allerdings eine sehr hohe Konzentration in geschlossenen Räumen ursächlich. CS hat in seiner ursprünglichen Form einen kristallinen Aggregatzustand. Zur Anwendung wird er entweder durch Hitze vergast oder er wird in einem Lösungsmittel in einen flüssigen Zustand gebracht. Bei CS kann man beobachten, dass sich der Stoff selbstständig, durch Ausgasen, in einem Raum Verteilt. Da CS wesentlich wirksamer ist als CN sind lediglich pro „Gebinde“ (Patrone oder Sprühdose) maximal 80mg Wirkstoff zugelassen. CS Patronen besitzen immer einen gelben Verschluss.
Pfeffer: Besser gesagt Nonivamid oder PAVA, hierbei handelt es sich um eine künstliche Variante des natürlich produzierten Oleoresin Capsicum, welches in Pfefferspray verwendung findet. Oleoresin Capsicum wird aus Chili gewonnen und hat also nichts, wie allgemein vermutet, mit Pfeffer zu tun. Nonivamid wird auch als Wirkstoff in der Pharmazie verwendet, z.B. in Wärmesalben. Bei allen Pfefferpatronen und Pfeffersprays kann man auf der Packung lesen, dass es zur Tierabwehr gedacht ist und der Einsatz gegen Menschen verboten ist. Fehlt dieser Hinweis handelt es sich um verbotenen Munition. Da diese Munition nur gegen Tiere zugelassen ist, ist hier die maximal zulässig Ladung nicht vorgeschrieben. Die stärkste Ladung auf dem deutschen Markt hatte Umarex, mit 120mg Wirkstoff in der „extra stark“ Munition (Produktion wurde zwischenzeitlich eingestellt). Wadie lieferte die Munition als „Supra Pfeffer“ einige Jahre mit lediglich 45mg Wirkstoff. Als die Produktion von Umarex eingestellt wurde erhöhte Wadie die Reizstoffladung ebenfalls auf 120mg. Pfefferpatronen haben meist einen braunen Kunstoffverschluss. Die stärkeren Versionen einen roten. Die Pepper-Flash Munition hat einen elfenbeinfarbenen Verschluss.
Blendpatronen: Die Firma Walther bietet hier ihre „Stop-Blitz“ Munition an und Wadie ihre „Pepper-Flash“. Die Wadie Patronen verfügen zusätzlich über eine Ladung von 30mg Pfeffer.
Vor allem die Stop-Blitz Munition hat sich als sehr zuverlässig erwiesen. Bei ihr erscheint vor der Mündung ein sehr großes rotes Mündungsfeuer.
Gummigeschoss Munition: Obwohl es sich bei dieser Munition um keine Kartuschenmunition handelt, sollen sie hier nicht unerwähnt bleiben. Gerade in Frankreich oder unseren ost-europäischen Nachbarländern und in Russland sind die sogenannten "Traumatic Waffen" sehr verbreitet, die diese Munition verschießen. Waffenrechtlich handelt es sich um scharfe Waffen, die Waffenbesitzkarten pflichtig sind. Sie sind in Deutschland kaum zu finden, obwohl sie oft von deutschen Firmen hergestellt werden. Beispielsweise die Firmen Röhm, Umarex und ME fertigen diese Waffen für den ausländischen Markt. Auch der staatliche russische Waffenhersteller Ischmasch fertigt viele seiner scharfen Modelle in einer Rubberball Version, wie die Tokarev, Makarov oder die PSM. Diese bestehen weitestgehend aus Stahl. Die Modelle deutscher Hersteller sind meist Baugleich mit den hier erhältlichen SSW. Der einzige Unterschied ist der Lauf. Diese Waffen verfügen über einen dünnen Stahllauf, der in den Zinklauf eingebettet ist. Übliche Kaliber sind 10X22T, 9mm P.A. Und 9mm GUM. In Frankreich haben sich einschüssige Pistolen im Kaliber 12/50 durchgesetzt, mit denen, je nach Munition, eine Gummikugel oder Gummischrot verschossen wird. Der Revolver „Soft Gomm“ verfügt über einen Wechsellauf, der den sechs-schüssigen Revolver (Kal. 8,8X10) in eine einschüssige Pistole (12/50) verwandelt. In Frankreich sind diese Waffen frei verkäuflich.
Grenaillen Munition (verbotene Kleinschrotpatronen):
Bei diesen Patronen handelt es sich um Kleinschrot Munition. In diesen Patronen, die auf den ersten Blick kaum von Kartuschen zu unterscheiden sind, ist eine Ladung aus etwa einem Millimeter großen Schrotkugeln. Zu erkennen ist die Munition in der Regel an einer Pappscheibe zum Verschluss der Patrone oder an der Abkürzung "Gren." auf dem Hülsenboden. Seit Jahren kursiert in Internetforen, dass eine schwarze Verschlussfarbe Kleinschrotmunition kennzeichnet, das stimmt so nicht! Lediglich die 8mm SM Patronen mit Kunststoffverschluss sind schwarz, alle Anderen nicht! Es gibt auch CN-Gaskartuschen, oder technische Kartuschen für Bolzentreibgeräte, die schwarze Verschlüsse haben.
Es handelt sich bei Kleinschrot Munition, die in Kartuschenlager von Schreckschusswaffen passt, um verbotene Gegenstände. In den 70er und 80er Jahren wurden im benachbarten Ausland viele Waffen verkauft, die für diese Munition ausgelegt sind. Diese sind, wie die Waffen für Gummikugel-Munition, meist baugleich mit den hier erhältlichen Schreckschusswaffen. Im Lauf der Waffen befinden sich jedoch wesentlich kleinere Laufsperren, die das Verschießen der Schrotkugeln ermöglichen. Sollte man diese Munition in eine Schreckschusswaffe laden, was ja aufgrund des selben Patronenlagers funktioniert, kann dies zu einer Zerstörung der Waffe führen.
Mit fast allen Schreckschusswaffen lässt sich pyrotechnische Munition verschießen. Meist im Kal. 15mm und seltener im Kal. 9mm. Für das Kaliber 9mm gibt es fast nur einfache Leuchtsterne. Eine Ausnahme bildet das 9mm Pfeifgeschoss von Depyfag. Die 9mm Leuchtsterne werden entweder aus den 2mm Waffen verschossen, oder aus 6mm und .22 Waffen, die einen eingebauten Abschussbecher in 9mm haben. In der Regel haben Schreckschusswaffen aber ein Gewinde für einen 15mm Abschussbecher. Die pyrotechnische Munition muss von der BAM geprüft sein (Bundesamt für Materialprüfung). Diese stufen die Munition in die Klasse I und II ein. Pyrotechnische Munition der Klasse II (BAM PM II) ist erwerbsscheinpflichtig nach dem Waffengesetz. Und nicht, wie oft vermutet, nach dem Sprengstoffgesetz. Es gibt lediglich zwei Arten von Klasse II Munition im Kal. 15mm, das sind Feuerwehrs-Raketen-Geschosse und die als „Starenschreck“ verbreiteten Pyroknallpatronen. In unseren östlichen Nachbarländern werden oft Pyroknallpatronen mit gefälschtem BAM-Zulassungszeichen Klasse I verkauft. Pyroknallpatronen sind nicht mit Schwarzpulver, sondern mit dem wesentlich gefährlicheren BKS-Pulver (Blitz-Knall-Satz) gefüllt.
Munition der Klasse I gibt es mit einer sehr großen Auswahl an Feuerwerksgeschossen. Hier reicht das Angebot von einfachen Leuchtsternen über Pfeif- und Knattergeschossen bis hin zu Flugzeug ähnliches Geschossen mit Flügeln und Hohlraum für einen Effektsatz. Bemerkenswert ist die Umarex „Booster Rocket“, da dies die einzige Klasse I Munition ist, die sich in der Luft teilt und einen Raketensatz freigibt. Nicht zu vergessen sind auch noch die sehr seltenen 7mm, 9,5, 10 und 18mm Leuchtsterne. Diese gab es mit Aluhülsen oder Papierumhüllung.
Schreckschusswaffen fanden und finden immer noch bei einigen Organisationen Verwendung. Nach dem gescheiterten Putsch der Nationalsozialisten in München 1923 wurde der NSDAP verboten Waffen zu Führen. Nun trugen die SA Wachmänner an den Parteibüros Scheintod Pistolen. Später wurde bei SA und der HJ das Tragen derartiger Waffen intern verboten.
In den letzten Jahren gründen immer mehr Städte Kommunale Ordnungsdienste. Diese sind nicht zentral organisiert und haben keine einheitliche Regelungen für Selbstschutzwaffen ihrer Mitarbeiter. Manche Städte haben gerade ein mal zwei Mitarbeiter. Andere wie Frankfurt a.M. sind sehr gut organisiert und führen scharfe Pistolen. In wenigen Fällen führen die Mitarbeiter (meist Angestellte) Elektroschockgeräte und Schreckschusswaffen. Diese sind dann meist privat beschafft. Die Stadt Dresden rüstet jedoch offiziell ihre Mitarbeiter mit P99 Gaspistolen und P99 CO2-RAM Pistolen mit Pfeffermunition zur Hundeabwehr aus. Im Regelfall wird aber nur Schlagstock und Pfefferspray geführt.
Die Personenschutzschule Pomplun händigte ihren Auszubildenden Schreckschusspistolen aus, da diese in Gewicht und Handhabung den scharfen Vorbildern entsprechen und bei vielen Übungen sinnvoll eingesetzt werden können.
Die „Einsatzgruppe“ Lupus wurde 2012 in Würzburg aktiv. Es handelte sich um eine Art ehrenamtlichen Sicherheitsdienst der das Stadtgebiet bestreifte. Die Mitglieder waren unterschiedlich Bewaffnet (JPX, Schlagstöcke, Pfefferspray...) und führten teilweise auch Schreckschusswaffen mit dem kleinen Waffenschein. Aufgrund strenger Auflagen der Stadt (Uniformverbot, Waffenverbot) und keiner Akzeptanz bei der Bevölkerung löste sich die Gruppe schnell wieder auf. Interessanterweise verbietet die Bewachungsverordnung das Führen von Schreckschusswaffen im Sicherheitsgewerbe, dieses Verbot ist als Ordnungswidrig sanktioniert. Lupus war jedoch keine Organisation im Sinne dieses Gesetzes.
Bei den Länderpolizeiein wurden immer wieder, aber in sehr begrenzter Stückzahl, Schreckschusswaffen beschafft. Sie dienen zum einen in der Ausbildung der Anwärter, um das Auffinden, Erkennen und rechtliche Einordnen von Schreckschusswaffen zu üben. Sie werden aber auch verwendet, um einen Schusswaffen Angriff zu simulieren, wobei die Auszubildenen mit FX-Waffen oder z.B. MPs mit Manöverpatronengerät reagieren müssen. Eine weitere Verwendung ist die Ausbildung von Polizeihunden und Pferden. Diese Waffen wurden entweder "dezentral" beschafft, oder aus dem Bestand sichergestellter Waffen entnommen. Die einzigen mir bisher bekannten Schreckschusswaffen, mit Polizeistempelung, gibt es in Berlin. Dort wurden mehrere NHM und Röhm RG56 und RG76 Revolver beschafft.
(Dienstwaffen der deutschen Polizei und Gendarmerie - NRW ab 1945 Seite 400 und Berlin ab 1945 Seite 281 und 282).
Als Übungswaffe wurden von der bayerischen Landespolizei einige IWG SP9 beschafft, die ein Nachbau der dienstlichen HK P7 sind. Die Pistolen werden aber ohne Platzpatronen als „Dummywaffen“ mit realem Gewicht und Maßen verwendet und sind farbig lackiert.
Im Buch "Dienstwaffen der deutschen Polizei und Gendarmerie - Bremen ab 1945" wird erwähnt, dass die Justiz Bremen "Gasschutz-Pistolen" beschafft hat. Damit waren handelsübliche Gaspistolen (Schreckschusspistolen) gemeint. Mir ist leider nicht bekannt um welche Waffen es sich genau gehandelt hat.
Im Buch „Auftrag Menschenraub“ von Susanne Muhle wird davon berichtet, wie die Stasi Ende der 40er Jahre Menschen im Westen entführen ließ. Bei der UFJ (Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen) wurden regelmäßig Schreckschusspistolen und „Notwehrpistolen“ ausgegeben. Die hauptamtlichen Mitglieder der Vereinigung wollten eigentlich scharfe Pistolen, diese wurden jedoch durch die Besatzungsmacht nicht genehmigt.
Am 14.05.1970 befreiten Terroristen der RAF in Berlin den inhaftierten Andreas Baader unter Verwendung eines Landmann KK Gewehrs und einer Reck P8 (Quelle: Das Buch "Die Landmänner" von Uwe Kotthaus Seite 153).
Ich hoffe meine kleine Abhandlung gefällt Euch und der Ein oder Andere zieht einen Nutzen daraus.
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