Ich will Euch hier meine Wadie Gas-Alarm-Pistole zeigen. Dabei handelt es sich um eine der meist verkauften Schreckschusspistolen der 50er - 60er Jahre.
Geschichte und Technik:
Die Pistole basiert auf der ASS 33/6 von August Schüler aus Suhl. Dieser brachte 1933 die erste verschlusslosen
Pistole auf den Markt. Erfunden wurde das System übrigens von Adalbert Kadits, der die Idee an Schüler verkauft hat. Dies ermöglicht eine sehr einfache Konstruktion von Schreckschusspistolen.
Dabei werden rand- und rillenlose Kartuschen einzeln von oben in das fest in das Griffstück integrierte Magazin eingeführt. Dies geschieht dadurch, dass der Magazinzubringer mit dem Boden der
Kartusche nach unten gedrückt und dann von der rechten Seite eingeschwenkt wird. Die oberste Kartusche wird vom Schlagbolzen ein kleines Stück unterhalb der Schussposition gehalten. Durch
leichtes Ziehen am Abzug (DAO-Abzug) geht der Schlagbolzen zurück und die Kartusche springt in Schussposition direkt vor den Lauf. Wird der Abzug ganz zurück gezogen zündet die Kartusche. Ein
kleiner Teil des heißen Gases wird nach links in eine Vertiefung abgeleitet und schleudert die abgeschossene Kartusche nach rechts aus der Waffe. Nun wird die nächste Kartusche von unten
zugeführt, so dass sie ebenfalls am Schlagbolzen hängen bleibt.
Die Munition für die ASS Pistole wurde mit Lacrimae (Tränen) bezeichnet und bestand aus Messing. Nach dem Krieg wurde diese Konstuktion von Herbert Schmidt (HS4 Pistole) und Wadie erneut aufgegriffen. Die Munition aus der Nachkriegsfertigung besaß eine Aluminiumhülse und die Gaskartuschen wurden meist mit
„Demimors“ (Urspung vermutlich halbtot bzw. scheintot) bezeichnet. Zeitweise gab es sehr viele Munitionsvarianten mit Parfum oder Rauchzusätzen. Das offizielle Kaliber der drei genannten Pistolen
ist „8mm Lacrimae“ und wird auch so in „Xwaffe“ des Nationalen Waffenregisters geführt. Für die Wadie Pistole gab es auch einen Einstecklauf der das Verschießen von Signalsternen ermöglichte,
diesen besitze ich jedoch leider nicht da er extrem selten ist.
Ob derart konstruierte Pistolen „automatische Waffen“ i.S. des WaffG sind kann auch das WaffG nicht beantworten, da dieses schlecht gemachte Gesetz mal wieder überfordert ist durch das Fehlen
eines Patronenlagers an der Waffe.
Heutzutage findet man die Pistole noch gelegentlich auf dem Markt. Sie werden dann für wenige Euro verkauft. Das Problem ist, dass sich Waffensammler sehr selten für Schreckschusswaffen
interessieren. Erben lassen diese Waffen meist vernichten und die meisten Waffenhändler sind froh wenn sie die „Ladenhüter“ los sind. Kaum jemand will den Aufwand (Tresor, Waffensachkunde,
WBK....) auf sich nehmen nur um eine SSW zu besitzen. Bald wird es also soweit sein, dass es kaum mehr Schreckschusswaffen ohne PTB Zulassung aus der Zeit vor 1969 am Markt geben wird. Und das
Wissen um diese Waffen und dieser Teil der Geschichte um die Selbstschutzwaffen des "kleinen Mannes" droht in Vergessenheit zu geraten.
Die Pistole:
Die Pistole ist größtenteils aus Zink gefertigt. Lediglich solche Teile wie der Schlagbolzen, Abzugsstange usw. sind aus Stahl. Auch Stoßboden und Lauf sind komplett aus Zink. Die Griffschalen
sind vermutlich aus Bakelit. Das Magazin soll 8 Kartuschen fassen, ich bekomme aber nur 7 Stück hinein. Zum Reinigen lässt sich die Pistole sehr gut und weit zerlegen. Lediglich der Schlagbolzen
und seine Feder lassen sich nur entnehmen, wenn man einen sehr dünnen Stift austreibt. Konstruktionsbedingt benötigt die Pistole hinten am Auswurffenster eine Art Klammer die die Kartusche an
ihrem Platz festhält und ein Blech das den Zeigefinger vor dem Funkenflug am Spalt Kartusche-Lauf schützt. Der Abzug funktioniert nur im DAO-Modus und geht sehr schwer. Man muss wirklich den Teil
der Anleitung beachten, dass man den Abzug nur mit dem ersten Glied des Zeigefingers betätigt. Sonst tut man sich wirklich schwer beim Abziehen.
Der Lauf hat einen Innendurchmesser von etwa 6mm.
Die Pistole hat eine einfach Abzugssicherung, die aber auch die Abzugsstange und den Schlagbolzen ein paar Millimeter nach hinten bewegt. Nur in dieser gesicherten Position mit versenktem
Schlagbolzen kann man die Pistole laden. Denn nur so ist im Auswurffenster genügend Platz. Leider hält die Sicherung nicht sonderlich gut in dieser Polition, da die Abzugsfeder den
Sicherungshebel leicht wieder nach oben drückt.
Sollte man die Pistole gesichert führen liegt die oberste Kartusche direkt vor dem Schlagbolzen. Und dieser liegt auf der Kartusche auf. Eine leichte Erschütterung reicht so also aus um die
Kartusche zu zünden! Besser wäre es daher sogar, die Pistole in entsichertem Zustand zu führen. So ragt der Schlagbolzen in das Auswurffenster und die oberste Kartusche wird so gehalten, dass sie
nicht in Schussposition kommen kann. Erst beim Anziehen des Abzugs springt sie hoch.
Meine Pistole gehört zur ersten von zwei Versionen. Die erste Version erkennt man daran, dass sie keinerlei Laufsperre hat und keine Seriennummer. Die zweite Version hat kleine Stifte senkrecht
und einen waagrecht im Lauf und hinten rechts am Griffstück eine Nummer eingeschlagen.
Die linke Laufseite ist beschriftet mit Orig. Wadie Gas-Schreckschuss-Pistole 8 Schuss D.B.P.A. Wadie bedeutet Walther Diefke und die Abkürzung Deutsche Bundes Patent Anmeldung.
Was ich sehr verwunderlich finde ist, dass die Pistole keine Beschusszeichen aufweist. Das aktuelle BeschG schließt im §1 II Abs. 1 Feuerwaffen von der Beschusspflicht aus deren Ladungen 15 mg
unterschreiten. Das halte ich bei den 8mm Kartuschen für möglich. Mir ist aber auch nicht bekannt was es sonst noch für Ausnahmen in den 60er Jahren von der Beschusspflicht gegeben hat?
Interessant ist aber natürlich auch die Frage, wie ein Überdruckbeschuss ohne Patronenlager statt finden soll?
Noch mehr und unterschiedliche Varianten der Wadie Pistole findet Ihr bei meinem Freund von www.gas-waffen.de. Er ist der engagierteste Sammler von Schreckschusswaffen den ich kenne und er leistet Pionierarbeit bzgl. der Erforschung dieser Waffen.
Auch hier könnt Ihr noch mal den kleinen Gaskanal sehen und die Klammer, die die Kartuschen vor dem Lauf hält.
Das Schießen:
Die Pistole ist recht klein und lässt sich gut führen. Sie war in ihrer Zeit auch hauptsächlich als Selbstschutzwaffe gedacht. In der Anleitung ist eine ganze Reihe von Berufen genannt für die
man die Pistole gedacht hat. So stehen dort z.B. Kassenboten, Nachtwächter und Kraftfahrer.
Da die Munition für diese Pistole seit über 40 Jahren nicht mehr hergestellt wird ist die Beschaffung der Munition sehr schwierig. Auf dem Sammlermarkt bekommt man hauptsächlich
Gaskartuschen. Das ist meist bei alten SSW der Fall, denn die Platzpatronen werden zum Spaß verschossen. Beim Verschießen von Gaspatronen muss man jedoch etwas mehr aufpassen und verschießt sie
daher eher nicht.
Da ich auf einem Indoorstand war habe ich zunächst nur 3 Knallkartuschen verschossen. Eine hatte beim ersten Abziehen einen Zündversager. Beim zweiten Abziehen zündete sie jedoch und alle
Kartuschen wurden einwandfrei ausgeworfen. Bei der Zweiten war das Zündhütchen etwas aus der Kartusche raus gedrückt und bei der Dritten ist es ganz raus geflogen.
Die Schussabgabe war begleitet von einem starken Funkenflug seitlich aus der Pistole. Die Funken wirkten auch in mein Gesicht, was sehr unangenehm war. Ich
vermute, dass die Munition überlagert war und verzögert gezündet hat. Evtl. spielt auch eine Abnutzung des Stoßbodens und Auswurffensterns eine Rolle, was mehr Gasdruck seitlich entweichen lassen
würde. Das Schießen war wirklich unangenehm. Bedenken muss man dabei aber auch, dass das darin verwendete Schwarzpulver, im Vergleich zu NC-Pulver, sehr unregelmäßig zündet. Und die Verwendung in
einer Selbstladepistole ist etwas sehr Spezielles, was es sonst so gut wie nirgends im Waffenbau gibt.
Bedürfnis:
Meine Pistole ist natürlich in meiner WBK eingetragen (für einige Besserwissen muss man sowas ja immer dazu schreiben).
Wiederladen / Selber Laden:
Die 8mm Munition wird schon lange nicht mehr hergestellt. Nur sehr selten findet man Patronen am Sammlermarkt oder im Internet. Bedenken muss man, dass es keine PTB zugelassenen Waffen in dem
Kaliber gibt und die Munition daher EWB Pflichtig ist. Dazu kommt, dass aus irgend einem Grund genau diese Munition dazu neigt sehr stark zu oxidieren.
Vermutlich liegt das am verwendeten Schwarzpulver oder dem Reizstoff.
Ladedaten habe ich nicht für diese Munition. Die Kartuschen sind alle mit Berdanzündhütchen ausgestattet, was ein Wiederladen sehr schwer macht. Ein befreundeter Wiederlader hat für mich ein paar
Kartuschen angefertigt die er von 8mm Alurohren aus dem Baumarkt abgeschnitten hat und hinten mit Schrotzündern bestückt hat (ohne Treibladung). Dies funktioniert einigermaßen, bedarf aber noch
weiterer Experimente. Klar sollte aber sein, dass der Treibsatz (Bei dieser Munition muss es Schwarzpulver sein) bei der Fabrikmunition sehr klein ist. Die Pistole besitzt kein Patronenlager und
die Alu-Kartusche muss den gesamten Gasdruck selber halten. Diese Konstruktion schließt auch einen „Missbrauch“ quasi aus. Da jedes Vorladen eines Geschosses den Gasdruck in der Kartusche derart
ansteigen lassen würde dass diese Platzt.
Die roten Kartuschen sind Gas (CN) und die Blauen Platzer. Was die anderen Farben zu bedeuten haben weiß ich leider noch nicht, vermutlich sind es Parfumpatronen.
Leider konnte ich bisher noch kein "Wadie Aufsatzgerät", zum Verschießen von Leuchtsternen, finden bzw. bekommen. Diese sind genau so selten wie die dazu passenden Leuchtsterne. Aber Danke eines Lesers aus Berlin konnte ich eine Schachtel der Leuchtsterne bekommen. Interessant ist an den Patronen, dass diese lediglich die kleine, gepresste, Schwarzpulverladung darin haben. Die Patronen sind nicht verschlossen und sie sehen fast leer aus. Das Schwarzpulver ist auch nicht versiegelt, sondern liegt offen, wie ein Schwarzpulverpessling. Die Leuchtsterne sind mit Papier umwickelt, das die Farbe des Sterns anzeigt.
Wadie hat auch schon vor dem 2. Weltkrieg. Abschussbecher in unterschiedlichsten Kalibern hergestellt. Sie waren zum Verschießen von Leuchtmunition oder Reizstoffen vorgesehen.
Beachtet die sehr ähnlichen russischen SV-Waffen.